Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Frage, ob eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist, kann hinsichtlich der Verhängung des Fahrverbots von entscheidender Bedeutung sein.
2. Die Feststellungen zur inneren Tatseite gehören zum unverzichtbaren Inhalt des Urteils wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung.
3. I.d.R. gehen die Tatrichter bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von fahrlässiger Begehung aus.
4. Bei der Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes ist insbesondere darauf zu achten, dass der Vorsatz zwei Elemente hat. Dies sind das Wissens- und das Wollenselement.
5. In der Praxis wird bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen die vorsätzliche Begehungsweise häufig mit dem Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung begründet.
 

Rdn 2328

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Geschwindigkeitsüberschreitung – Teil 2: Vorsatz/Fahrlässigkeit und Täteridentifizierung, VA 2023, 160

Fromm, Aktuelles zur vorsätzlichen Begehungsweise bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, DAR 2014, 428

ders., Aktuelle Rechtsprechung zum subjektiven Tatgestand bei Geschwindigkeitsüberschreitungen – Verurteilungen wegen vorsätzlicher Begehungsweise durch die Hilfsmittel der "Vorsatzvermutung" und "Umkehr der Beweislast", DAR 2018, 375

ders., Neuigkeiten zur Vorsatzverurteilungen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, DAR 2022, 410

Junghans, Der Vorsatzvorwurf bei Geschwindigkeitsordnungswidrigkeiten in der amtsgerichtlichen Rechtsprechungspraxis, zfs 2023, 304

Krumm, Vorsatzfeststellung bei Geschwindigkeitsverstößen, NZV 2007, 501

Schäfer, Doppelt hält besser? Ein Beitrag zu den "Schwarzblitzern" im Rennsteigtunnel, DAR 2011, 742

s. die Hinw. bei → Geschwindigkeitsüberschreitung, Allgemeines, Rdn 1892 und bei → Geschwindigkeitsüberschreitung, Urteil, Allgemeines, Rdn 2180.

 

Rdn 2329

1.a) Die Frage, ob eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist, kann für die Verhängung eines Fahrverbots von entscheidender Bedeutung sein. § 1 Abs. 2 S. 2 BKatV geht von grds. fahrlässiger Begehungsweise aus. Wird der Betroffene nämlich wegen eines vorsätzlichen Verstoßes verurteilt, ist es noch schwieriger, ein Absehen vom Fahrverbot zu erreichen als bei bloß fahrlässigem Verstoß (→ Fahrverbot, Allgemeines, Rdn 1493). Häufig wird dem Betroffenen dann eine "Erst-recht-Argumentation" entgegengehalten: Kein Absehen vom Fahrverbot deshalb, weil die BKatV nur von fahrlässiger Begehungsweise ausgeht, der Betroffene hier aber vorsätzlich gehandelt hat. Das rechtfertigt erst recht die Verhängung eines Fahrverbots. Zudem muss der Betroffene nach § 3 Abs. 4a BKat mit einer Verdoppelung der Regelgeldbuße rechnen (vgl. u.a. KG, Beschl. v. 23.7.2018 – 3 Ws (B) 157/18, NStZ 2018, 722 = SVR 2018, 472).

 

☆ Bei der Anordnung eines Fahrverbots ist es allerdings nicht zulässig, dessen Regeldauer nach dem Bußgeldkatalog pauschal wegen vorsätzlichen Handelns zu verdoppeln (OLG Koblenz NZV 2010, 212 = VRR 2010, 194 m.w.N. für Geschwindigkeitsüberschreitung um 40 km/h außerorts).verdoppeln (OLG Koblenz NZV 2010, 212 = VRR 2010, 194 m.w.N. für Geschwindigkeitsüberschreitung um 40 km/h außerorts).

Vorsatzverurteilungen sind auch nicht etwa nur bei massiven Verstößen zu erwarten. So ist z.B. auch bei drei geringeren Geschwindigkeitsverstößen in engem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang und an drei aufeinanderfolgenden Messstellen von Vorsatz ausgegangen worden (OLG Jena DAR 2008, 35 = VRS 113, 354 = VRR 2008, 154).

 

Rdn 2330

b) Verfahrensmäßig ist Folgendes von Bedeutung: Ist im Bußgeldbescheid keine Schuldform angegeben, ist von fahrlässiger Begehungsweise auszugehen (BayObLG, Beschl. v. 11.9.2020 – 201 ObOWi 1109/20, VA 2020, 221; KG VA 2014, 96; Beschl. v. 9.8.2019 – 3 Ws (B) 205/19, VA 2019, 200; Beschl. v. 6.3.2018 – 3 Ws (B) 73/18; OLG Bamberg VRS 113, 357 = VRR 2008, 75 = NStZ-RR 2008, 119; DAR 2012, 218; Beschl. v. 2.5.2017 – 2 Ss OWi 293/17, DAR 2017, 383; OLG Frankfurt am Main StraFo 2008, 31 = DAR 2008, 33; OLG Hamm VRS 99, 220 = zfs 2000, 416; OLG Karlsruhe zfs 2008, 122; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.7.2018 – 1 OWi 6 SsBs 67/18). Enthält der Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung keine Schuldform, ergibt sich jedoch aus der Anwendung des Regelsatzes des BKat lediglich der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens, so bedarf eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Handelns in der HV eines Hinweises auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts nach § 265 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 (u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 2.5.2017 – 2 Ss OWi 293/17, DAR 2017, 383; OLG Frankfurt am Main, OLG Hamm, OLG Karlsruhe, jew. a.a.O.; OLG Koblenz zfs 2003, 615; auch Fromm DAR 2014, 426, 428 und DAR 2022, 410; zum rechtlichen Hinweis allgemein Burhoff, HV, Rn 2099 ff.; zum Bußgeldbescheid → Bußgeldbescheid, Inhalt, Rdn 656; → Hauptverhandlung, Allgemeines, Rdn 2381 f.).

 

☆ Ist der Betroffene bereits im ersten Durchgang wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt worde...

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