Geschwindigkeitsüberschreitung: Wann liegt Vorsatz vor

Wer deutlich zu schnell fährt, der kann sich in der Regel nicht darauf berufen, es nicht bemerkt zu haben. Entscheidend ist neben der häufig angewandten 40-Prozent-Grenze aber auch die absolute Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung.

Vor einer Baustelle auf einer Autobahn wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit zunächst auf 100 und mit zunehmender Nähe auf 80 und schließlich auf 60 Stundenkilometer begrenzt. Kenntlich gemacht wurden die Begrenzungen durch beidseitig angebrachte Schilder.

Autofahrer fährt in Baustellenbereich 82 statt 60 km/h

Ein Autofahrer wurde im Tempo-60-Bereich mit 82 km/h geblitzt, was einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 37 Prozent entspricht. Das Amtsgericht Kaiserslautern sah in dem Verhalten des Fahrers ein vorsätzliches Verhalten und verurteilte ihn zu einer Geldbuße von 140 Euro.

Amtsgericht: Fahrer hätte die Geschwindigkeitsüberschreitung bemerken müssen

Das Gericht ging davon aus, dass der Fahrer die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung hätte bemerken müssen. Die sensorischen Eindrücke wie Motorengeräusch, Fahrzeugvibration und die Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert habe, hätte er wahrnehmen müssen, so das Gericht.

OLG sieht keinen Vorsatz des Autofahrers

Das Oberlandesgericht Schleswig kam zu einer anderen Einschätzung und erkannte keinen Vorsatz. Bei der Beurteilung spielten zwei Aspekte eine zentrale Rolle: Die relative und die absolute Geschwindigkeitsüberschreitung.

Nach der Rechtsprechung des Senats sowie des überwiegenden Teils der anderen Oberlandesgerichte könne bei Übertretungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von mindestens 40 Prozent davon ausgegangen werden, dass der Betroffene die Überschreitung aufgrund der sensorischen Eindrücke bemerke.

Da im vorliegenden Fall die relative Geschwindigkeitsüberschreitung bei 37 Prozent lag, hätte es aber zusätzliche Indizien gebraucht, um von einem vorsätzlichen Verhalten auszugehen.

Höhe der absoluten Geschwindigkeitsüberschreitung spielt bei der Wahrnehmung eine Rolle

Der zweite Aspekt ist neben der relativen die absolute Geschwindigkeitsüberschreitung, die hier bei 22 km/h lag. Je geringer die absolute Überschreitung, desto weniger offensichtlich seien für einen Autofahrer die beschriebenen sensorischen Merkmale.

Insofern müsse auch bei einer relativ gesehen gleich hohen Geschwindigkeitsüberschreitung noch einmal differenziert werden. Ein Beispiel: Wer statt der zugelassenen 100 km/h 140 km/h fahre, für den sei die Geschwindigkeitsüberschreitung anhand der sensorischen Merkmale deutlich leichter wahrnehmbar als für denjenigen, der 84 km/h anstatt 60 fahre.

Geschwindigkeit bei Baustellen besonders schwer einschätzbar

Dies gelte insbesondere für einen Baustellenabschnitt, bei dem aufgrund von Fahrbahnunebenheiten regelmäßig mit höheren Fahrgeräuschen zu rechnen sei, selbst wenn die erlaubte Geschwindigkeit nicht überschritten werde.

(OLG Zweibrücken, Beschluss v. 11.7.2022, 1 OWi 2 SsRs 39/22)


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