Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 48 Abs. 2 WEG, § 31 KostO
Kommentar
Ein Eigentümer hatte diverse Versammlungsbeschlüsse angefochten (so den Beschluss über die Finanzierung einer bereits durchgeführten Überdachung für Tiefgaragenaufgänge aus der Instandhaltungsrückstellung, die Genehmigung der Hausgeldabrechnung, die Beauftragung eines Sonderfachmannes zur Erstellung von Ausschreibungsunterlagen für den Einbau von Thermostatventilen nach der Heizanlagenverordnung und von regelbaren Pumpen, die Überdachung restlicher 4 Tiefgaragennotausgänge und die Ermächtigung des Verwalters zur gerichtlichen Geltendmachung von Gemeinschaftsansprüchen gegenüber einzelnen Miteigentümern oder gegenüber Dritten sowie die Genehmigung bereits erteilter Prozessvollmachten).
Das AG setzte bei antragszurückweisender Entscheidung in Addition der einzelnen Beschlusswerte den Geschäftswert insgesamt auf DM 82.000,- fest. Das LG hob den Beschluss des AG auf, verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurück und bestimmte ebenfalls als Geschäftswert für das Erstbeschwerdeverfahren DM 82.000,- mit der Begründung, dass das Interesse der Beteiligten an der Entscheidung in dieser Höhe zu bewerten gewesen sei.
Die hiergegen eingelegte Geschäftswertbeschwerde des anfechtenden Antragstellers sei nach Meinung des BayObLG (3. Zivilsenat) als Erstbeschwerde gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 14 Abs. 3 S. 1 der Kostenordnung (KO) anzusehen, da das LG bei der Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren im ersten Rechtszug entschieden habe, der Beschwerdewert sei erreicht worden ( § 567 Abs. 2 ZPO).
Nach Meinung des Senats hätten die Vorinstanzgerichte nicht zu beanstandende Geschäftsteilwerte angesetzt und in Anbetracht der Größe der Gemeinschaft wohl zutreffend geschätzt, wobei zu berücksichtigen sei, dass beim derzeitigen Verfahrensstand nur eine vorläufige Schätzung in Betracht habe kommen können.
Jedoch hätten die Vorinstanzen versäumt, nach Grundsätzen der Rechtsprechung des BayObLG in den letzten Jahren (BayObLG Z 1988, 319) zu überprüfen, ob nicht der Geschäftswert insgesamt herabzusetzen sei, wenn im Einzelfall die Kostenbelastung den freien Zugang zu den Gerichten zu verhindern drohe, weil die von einem verständigen Beteiligten für geboten erachtete Rechtsverfolgung mit Kosten verbunden sei, die auch unter Abwägung des Interesses der übrigen Beteiligten außer Verhältnis zu dem Interesse des antragstellenden Beteiligten stünde. Der volle Geschäftswert könne dann auf einen Betrag ermäßigt werden, der das Interesse aller Beteiligten zwar nicht voll, aber angemessen berücksichtige (was hier zuträfe). Im vorliegenden Fall würden die aus dem Einzelinteresse des Antragstellers resultierenden Gebühren (für Gericht und Anwalt) in keinem Verhältnis stehen zum Eigeninteresse an der Gerichtsentscheidung und zu den bei einem Geschäftswert von DM 82.000,- anfallenden Gebühren, unabhängig davon, dass die Zahl der anfallenden Gebühren derzeit noch nicht abzusehen sei.
In eigenem Ermessen entschied der Senat eine Herabsetzung des Geschäftswertes für das Verfahren der Erstbeschwerde auf DM 20.000,-, mit der Feststellung, dass dieser Wert auch noch dem Interesse der übrigen Beteiligten Rechnung trage, einen Rechtsanwalt zur Vertretung einer Sache dieses Umfanges zu finden. In gleicher Weise sei auch die amtsrichterliche Geschäftswertentscheidung von Amts wegen auf DM 20.000,- herabzusetzen.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 05.03.1992, BReg 3 Z 195/91)
zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren
Anmerkung:
In dieser neuerlichen Entscheidung des 3. Senats wurden erneut Verhältnismäßigkeitserwägungen bei der Ermittlung eines Geschäftswertes in WE-Sachen angesprochen, die im Einzelnen auch in der jüngsten bundesverfassungsgerichtlichen Beschlussentscheidung sehr ausführliche Vertiefung fanden (vgl. BverfG, Entscheidung vom 12.02.1992, 1 BvL 1/89). Bei einem solch großen richterlichen Ermessensspielraum der Fachgerichte gerade in punktuellen Beschlussanfechtungssachen wird es in Zukunft überhaupt nicht mehr möglich sein, irgendwelche Wertprognosen anzustellen oder gar als Anwalt ein Prozesskostenrisiko vorherzusagen, obgleich dies zu Recht meist schon im ersten Beratungsgespräch von einem Mandanten gefordert wird. Da obendrein im Rahmen weiterer richterlicher Ermessensentscheidung von üblichen Kostenentscheidungsgrundsätzen gerade hinsichtlich der Erstattung außergerichtlicher Kosten (also Anwaltskosten) abgewichen werden kann, sind im Vorfeld eines Verfahrens all diese Fragen nicht einmal mehr halbwegs verbindlich abzuklären. Jede vermeintlich präzise Auskunft würde hier den Anwalt einem Haftungsrisiko aus Verletzung seiner Belehrungspflichten aussetzen.
Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass bei solchen Wertreduzierungen wie hier durch das Rechtsbeschwerdegericht gerade Anfechtungsantragsteller bald überhaupt keinen qualifizierten Anwalt mehr finden werden, der solche Mandate noch annimmt, ohne seinen Honoraranspruch nach Gebührenordn...