Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Stimmrecht und Stimmrechtsvertretung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Wohnungseigentümerin
- Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der GbR führt dazu, dass sein Anteil automatisch den übrigen Gesellschaftern zuwächst
- Der bestellte Geschäftsführer (nicht Gesellschafter) der GbR ist zu laden und in der Wohnungseigentümerversamm-lung teilnahme- und stimmberechtigt
Normenkette
§ 736 BGB, § 738 BGB, § 20 Abs. 1 WEG, § 25 Abs. 2 WEG
Kommentar
1. Scheidet ein Gesellschafter durch Kündigung aus einer größeren Publikums-Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus, die Wohnungseigentümerin ist, und wird die Gesellschaft entsprechend dem Gesellschaftsvertrag mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt, so wächst der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters automatisch den übrigen Gesellschaftern zu, auch wenn noch keine entsprechende Eintragung im Grundbuch erfolgt ist (Anwachsung nach § 738 BGB, evtl. mit schuldrechtlichem Abfindungsanspruch). Einer rechtsgeschäftlichen Anteilsübertragung auf die übrigen Gesellschafter bedarf es insoweit nicht. Der Wohnungseigentums-Miteigentumsanteil steht weiterhin der Gesamthand der Gesellschaft zu (auch wenn sich durch das Ausscheiden eines Gesellschafters die Zahl der Gesamthänder vermindert hat). Ein Grundbuchberichtigungsanspruch führt hier lediglich zu einem klarstellenden Anwachsungsvermerk (vgl. OLG Düsseldorf, NW/JMBl 2000, 244 m.w.N.).
2. Ein ausgeschiedener Gesellschafter ist, auch wenn er noch im Grundbuch als Wohnungs-Miteigentümer eingetragen ist, nicht berechtigt, weiterhin mit den verbliebenen Gesellschaftern das Stimmrecht der Gesellschaft in der Wohnungseigentümerver sammlung auszuüben; er ist trotz seiner Eintragung im Grundbuch deshalb auch nicht mehr zu Wohnungseigentümerversammlungen einzuladen.
3. Hat die Gesellschaft einen Dritten als Geschäftsführer bestellt, kann zum einen das Stimmrecht der Gesellschaft nur einheitlich ausgeübt werden ( § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG), zum anderen ist der Geschäftsführer als bestellter gemeinsamer Vertreter stimmabgabeberechtigt (kraft entsprechendem Anstellungsvertragsverhältnis). Auch in einem solchen Fall behalten die Gesellschafter die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis als oberstes Geschäftsführungsorgan (vgl. BGH, NJW 1982, 877 und 2495; NJW-RR 1994, 98). Insoweit kann nicht von einem Ausschluss aller Gesellschafter von der organschaftlichen Vertretung gesprochen werden, wenn hier ein Dritter mit Geschäftsführungsaufgaben und umfassenden Vollmachten betraut wurde. Somit können auch einem Dritten im Rahmen eines Anstellungs- oder Auftragsverhältnisses im Sinne einer "Generalvollmacht" Geschäftsführungsaufgaben übertragen werden, die stets abgeleiteter Natur bleiben. Die Befugnis steht dem Geschäftsführer anders als dem Gesellschafter nicht kraft eigenen Rechts zu und kann ihm daher auch ohne sein Zutun wieder entzogen werden. Somit besitzen im Innenverhältnis die Gesellschafter insoweit auch keine Mitwirkungsbefugnisse mehr; nur der bestellte gemeinschaftliche Vertreter ist in der Eigentümerversammlung teilnahme- und stimmberechtigt, also zur gemeinschaftlichen Stimmrechtsausübung nach § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG befugt (vgl. auch Bärmann/Pick/Merle, § 24 Rn 62 und § 26 Rn 45); auch nur der Geschäftsführer war zu Versammlungen einzuladen.
Selbst eine vertretungseinschränkende Vereinbarung - wie hier - führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Fremdgeschäftsführer allein als Sprachrohr die GbR vertritt. Die hier getroffene Vereinbarungsregelung (Stimmrechtsvertretung nur durch Eigentümer, Ehegatten oder zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Personen) rechtfertigt sich allein daraus, dass alle Eigentümer ein Interesse daran haben können, die Eigentümerversammlungen auf den eigenen Kreis, also überwiegend auf die ihnen bekannten Miteigentümer zu beschränken und damit gemeinschaftsfremde Einwirkungen aus der Versammlung fernzuhalten (hM). Derlei mögliche Einwirkungen kommen aber ersichtlich nicht in Betracht, wenn wie hier eine GbR einen Femdgeschäftsführer bestellt hat. Vielmehr ist auch auf die Vereinbarungsregelung - wie hier - abzustellen, dass bei einer Personenmehrheit als Eigentümer auf Verlangen des Verwalters ein Bevollmächtigter zu bestellen ist, der auch berechtigt ist, Willenserklärungen und Zustellungen, die im Zusammenhang mit dem Sondereigentum stehen, entgegenzunehmen und abzugeben.
Link zur Entscheidung
( OLG Köln, Beschluss vom 24.11.2000, 16 Wx 123/00= NZM 3/2001, 146)
Zu Gruppe 5