1 Leitsatz
Der Selbstbehalt bei einer Gebäudeversicherung ist im Schadensfall nicht anteilig zwischen geschädigtem Sondereigentümer und der ebenfalls geschädigten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufzuteilen. Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer trägt den Selbstbehalt allein.
2 Normenkette
§§ 16 Abs. 2 Satz 1, 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 3 WEG
3 Das Problem
Es gibt einen Leitungswasserschaden. Im Sondereigentum des K entstehen Schäden i. H. v. insgesamt 11.750 EUR, im gemeinschaftlichen Eigentum weitere Schäden. Die Gebäudeversicherung reguliert den Leitungswasserschaden i. H. v. insgesamt 13.950 EUR. Im Versicherungsvertrag ist eine Selbstbeteiligung i. H. v. 1.000 EUR vereinbart. Streitig ist, ob K an dieser Selbstbeteiligung anteilig zu beteiligen sind. Die Mehrheit der Wohnungseigentümer bejaht die Frage. Wohnungseigentümer K sieht das anders und verklagt daher die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Zahlung der ganzen 11.750 EUR. Das AG meint, die Selbstbeteiligung sei aufzuteilen und spricht K nur 10.900 EUR zu. Den fehlenden Betrag von 850 EUR begehrt K mit der Berufung weiter.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Es sei allerdings streitig, wer den Selbstbehalt im Innenverhältnis zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und den einzelnen Wohnungseigentümern zu tragen habe. Nach einer Auffassung sei eine quotale Verteilung des Selbstbehalts auf die geschädigten Wohnungseigentümer vorzunehmen (Hinweis u. a. auf Armbrüster, ZWE 2019, S. 327 und Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 19 Rn. 131). Nach dieser Auffassung müsste K die 850 EUR selbst tragen. Nach der Gegenansicht habe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei einem Schadenseintritt mit eigenen finanziellen Mitteln die Schadensbeseitigung in vollem Umfang zu ermöglichen und den Aufwand für den Selbstbehalt – auf der zweiten Stufe – in der Jahresabrechnung (auf alle Eigentümer) umzulegen (Hinweis u. a. auf LG Karlsruhe, Urteil v. 22.11.2018, 11 S 23/17, ZWE 2019 S. 324). Dem sei auch zu folgen. Denn der Selbstbehalt sei als Bestandteil der Prämie anzusehen. Da alle Wohnungseigentümer von einer niedrigeren Prämie infolge eines Selbstbehalts profitierten, ergebe sich aus der zwischen der Gemeinschaft und den Wohnungseigentümern bestehenden Treuepflicht die Pflicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, im Schadensfall den Selbstbehalt nicht dem zufällig Geschädigten aufzubürden. Auf ein Fehlverhalten der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über den Versicherungsvertrag komme es nicht an, da der Ausgleichsanspruch nicht auf einen verschuldensabhängigen Ersatzanspruch gestützt werde. Soweit dem entgegengehalten werde, dass den Selbstbehalt immer anteilig derjenige zu tragen habe, der geschädigt sei, berücksichtige dies nicht ausreichend die zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und den Wohnungseigentümern bestehende Treuepflicht (Hinweis auf Dötsch, NZM 2018, S. 353, 366).
Hinweis
- Zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gehören wenigstens die angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert sowie eine Versicherung der Wohnungseigentümer gegen Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht. Welcher Versicherungsumfang und welche Versicherungsbedingungen angemessen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Lage, Zustand, Größe und Alter der Wohnungseigentumsanlage und ist in regelmäßigen Abständen, vor allem nach Renovierungs-, Modernisierungs- oder Umbaumaßnahmen, grundsätzlich anzupassen. Versicherungsnehmer ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Versicherte sind hingegen die Wohnungseigentümer.
- Eine angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums ist in aller Regel eine verbundene Wohngebäudeversicherung. Diese umfasst grundsätzlich sowohl das gemeinschaftliche Eigentum als auch die im Sondereigentum stehenden Räume und wesentliche Gebäudeteile. Sie dient vor allem dazu, das Gebäude im Fall der Zerstörung neu aufbauen zu können.
- Für die Abwicklung von Versicherungsschäden am gemeinschaftlichen Eigentum ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuständig, die durch den Verwalter als ihrem Organ handelt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss z. B. den Schadeneintritt unverzüglich melden und Nachfragen wahrheitsgemäß beantworten. Ferner hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen (§ 82 Abs. 1 VVG). Muss das Schadenbild verändert werden, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Einzelfall zu einer umfangreichen Foto-Dokumentation verpflichtet. Der Versicherer hat Aufwendungen nach § 82 Abs. 1 und 2 VVG, auch wenn sie erfolglos bleiben, insoweit zu erstatten, als man sie den Umständen nach für geboten halten durfte.
- Für die Abwicklung der Schäden am Sondereigentum ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht zuständig. Abgesehen von Notmaßnahmen, der zügigen Meldung des Schadenfalls und der Unterstützung des Sondereigentümers durch Information sowie Bereitstellung erforderlicher Unterlagen trifft die Gemeinschaft der...