Leitsatz
Die Gestaltungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG ist darauf gerichtet, die gebotene, aber nicht beschlossene Regelung durch eine gerichtliche Ermessensentscheidung zu ersetzen.
Normenkette
§§ 15, 21 Abs. 4, Abs. 8 WEG
Das Problem
- K ist Teileigentümerin. Ihr Teileigentum war von 1993 bis zum Ende des Monats Februar 2012 als Laden vermietet. Ihr Mieter hatte auf der Fläche vor dem Laden Aufsteller platziert (der Umfang ist streitig). Nach der Beendigung des Mietverhältnisses bemüht sich K um eine Neuvermietung. Diese gestaltet sich schwierig. Im August 2012 gelingt es K, mit dem Bäcker C einen Gewerberaummietvertrag mit Mietbeginn zum Januar 2013 abzuschließen. Weil C das Teileigentum nur unter der Voraussetzung anmieten will, dass er die davor befindlichen Außenflächen gebrauchen kann, wird in dem Mietvertrag ein entsprechender Vorbehalt aufgenommen.
- Auf einer Versammlung im November 2012 beantragt K, den Gebrauch der Außenfläche durch C mit Außenbestuhlung im Umfang von 8 Tischen (1. Variante) oder im Umfang von 4 Tischen und einer zeitlichen Begrenzung bis 18 Uhr (2. Variante) gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts von 75 EUR zu gestatten. Beide Varianten werden mehrheitlich abgelehnt.
- K klagt nun darauf, ihr die Nutzung der vor ihrem Teileigentum liegenden Fläche – mit der Maßgabe, dass die Außenbestuhlung durch den Mieter auf 4 Tische beschränkt und zeitlich täglich bis 18 Uhr begrenzt wird – gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts 75 EUR zu gestatten. K behauptet, auch der frühere Mieter habe auf der Fläche dauerhaft Aufsteller und Verkaufskörbe platziert. Beeinträchtigungen gingen von diesem Gebrauch nicht aus. Der von ihr begehrte Gebrauch halte sich innerhalb der Grenzen des § 14 Nr. 1 WEG.
Die Entscheidung
- Die Klage hat überwiegend Erfolg! K sei der Gebrauch der Fläche gegen ein monatliches Entgelt in Höhe von 250 EUR mit der Maßgabe, dass die Außenbestuhlung im Umfang auf 4 Tische und zeitlich täglich bis 18 Uhr beschränkt ist, gestattet.
- K habe nach §§ 15 Abs. 3, 21 Abs. 8 WEG einen Anspruch darauf, dass das Gericht unmittelbar die erforderlichen Bestimmungen treffe. Das Gericht sei dabei befugt gewesen, auch auf eine von dem Antrag – hinsichtlich des monatlich zu zahlenden Entgelts – abweichende Regelung zu erkennen. Die Gestaltungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG sei darauf gerichtet, die gebotene, aber nicht beschlossene Regelung durch eine gerichtliche Ermessensentscheidung zu ersetzen (Hinweis auf BGH v. 25.9.2003, V ZB 21/03, NJW 2003 S. 3476). Werde beantragt, die Wohnungseigentümer zur Vornahme einer bestimmten Maßnahme zu verpflichten, sei jede andere Regelung durch das Gericht, die dem Wortlaut des Antrags zwar nicht entspreche, aber ein das Interesse aller Wohnungseigentümer berücksichtigendes "Aliud" oder "Minus" von ihm erfasst werde, zulässig. Die Gewährung des Gebrauchs gegen eine höhere Gegenleistung als beantragt stelle ein solches Minus dar.
- Bei der Regelung handle es sich um eine Gebrauchsregelung hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 15 WEG. Anders als die in § 21 WEG geregelte Verwaltung umfasse der Gebrauch zwar lediglich die tatsächliche oder rechtliche Verwendung der Sache. Wenn aber der begehrte Gebrauch auch Instandsetzungsmaßnahmen beinhalten könne, gehe es "vordergründig um eine Regelung des Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums durch einen Teileigentümer". Im tenorierten Umfang stelle die Gebrauchsregelung einen ordnungsmäßigen Gebrauch dar. Nach den Erkenntnissen des Augenscheins stehe fest, dass vom begehrten Gebrauch keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen ausgingen.
Kommentar
- K hatte keine Gestaltungs-, sondern eine Leistungsklage erhoben. Das AG, das ersichtlich auch Bedenken bei seinem Ausspruch hatte, durfte daher nicht nach § 21 Abs. 8 WEG verfahren. Hierfür lag kein Antrag vor.
- Hätte K eine Gestaltungsklage erhoben, wäre diese abzuweisen gewesen. Das AG Norderstedt zwingt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, mit K einen Miet-/Pachtvertrag zu schließen. Ein Vertragsschluss kann aber keine Maßnahme sein, zu der die anderen Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 8 WEG verpflichtet werden können.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Zum Teil sehen Gemeinschaftsordnungen – in der Regel als eine Art "Vorschaltverfahren" mit subsidiärer Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer – vor, dass der Verwalter um eine Genehmigung für Gebrauchsänderungen angegangen werden muss. Der Verwalter soll dann prüfen, ob der anderweitige Gebrauch die übrigen Wohnungseigentümer mehr beeinträchtigt, als der bisherige Gebrauch. Bei solchen Genehmigungen sollten Verwalter versuchen, mit Augenmaß zu handeln und sämtliche Interessen zu beachten. Häufig, wenn auch nicht immer, wird es sich anbieten, den Wohnungseigentümern von dem Wunsch zu berichten, sie über Vor- und Nachteile zu informieren, dann aber selbst entscheiden zu lassen.
Link zur Entscheidung
AG Norderstedt, Urteil vom 27.03.2014, 42 C 427/12