Leitsatz

Verpachtung einer Teilfläche des Gemeinschaftseigentums vor einem Restaurant als nachteilige Gebrauchsregelung

 

Normenkette

(§§ 13, 14, 15 Abs. 2, 22 Abs. 1 WEG; § 265 ZPO)

 

Kommentar

1. Über die Verpachtung einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Fläche einer Wohnungseigentumsanlage kann im Wege der Gebrauchsregelung nach § 15 WEG durch Mehrheitsbeschluss wirksam entschieden werden. Auf Anfechtung hin war jedoch im vorliegenden Fall der Beschluss für ungültig zu erklären, weil in der Verpachtung der Gemeinschaftsfläche zum Betrieb eines Freiausschanks kein ordnungsgemäßer Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG zu sehen ist. Ob ein Gebrauch ordnungsgemäß ist, richtet sich nach der Verkehrsanschauung und bietet einen gewissen Ermessensspielraum. Ordnungsmäßig ist der Gebrauch, den § 14 WEG gestattet und der nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Die Einzelheiten sind anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums bei Beachtung des Gebots der allgemeinen Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen zu ermitteln (BGH, NJW 2000, 3211). Vorliegend sind die Tatsacheninstanzgerichte zum Ergebnis gelangt, dass die Eigentümer durch Lärm und auf andere Weise belästigt würden, wenn die Gemeinschaftsfläche zum Betrieb eines Freiausschanks genutzt wird. Zwar herrsche in diesem Bereich erheblicher Verkehrslärm; berücksichtigt werden müsse allerdings auch, dass durch die Gaststätte selbst – auch ohne Freiausschank – Lärm verursacht werde; andererseits müsse aber beim Betrieb einer Freischankfläche damit gerechnet werden, dass gerade in den Abendstunden Gäste längere Zeit im Freien säßen und durch laute Gespräche und Gelächter die Wohnungseigentümer beeinträchtigten. Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass der Hauseingang unmittelbar neben der Freischankfläche liege; die Wohnungseigentümer müssten es hier nicht hinnehmen, jederzeit beim Betreten oder Verlassen des Hauses beobachtet zu werden. Erfahrungsgemäß flaue der Verkehrslärm auch abends ab und damit werde der Lärm, der von der Freischankfläche ausgehe, umso störender. In dieser Zeit müsste es den anderen Wohnungseigentümern auch möglich sein, an warmen Tagen die Fenster öffnen zu können.

2. Allerdings wurde durch diesen Mehrheitsbeschluss entgegen der Ansicht des LG kein Sondernutzungsrecht an einer Gemeinschaftsfläche begründet, was zu einer Nichtigkeit des Beschlusses mangels absoluter Beschlusskompetenz führen müsste (BGH, NJW 2000, 3500). Vorliegend ging es um einen Verpachtungsbeschluss eines Teils der Gemeinschaftsfläche. Eine solche Nutzungszuweisung an einen Pächter führt nicht zum vollständigen Ausschluss vom Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums und der damit verbundenen Gebrauchsvorteile durch die Wohnungseigentümer; der angefochtene Eigentümerbeschluss setzt vielmehr den Mitgebrauch der Wohnungseigentümer voraus und regelt nur die Art und Weise der Ausübung, indem er die Möglichkeit des unmittelbaren (Eigen-)Gebrauchs durch die des mittelbaren (Fremd-)Gebrauchs ersetzt und an die Stelle des unmittelbaren Gebrauchs den Anteil an den Pachteinnahmen treten lässt (BGH, NJW 2000, 3211). Ein Sondernutzungsrecht könne i.Ü. auch nur für einen Wohnungs- oder Teileigentümer der betreffenden Anlage, nicht aber für einen beliebigen Dritten (Pächter) begründet werden (vgl. BayObLG, Beschluss v. 31.1.2002, 2Z BR 183/01).

3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist auch das Aufstellen von Biertischen, Bänken und Schirmen, die im Boden nicht fest verankert sind, auf einer Gemeinschaftsfläche zum Betreiben eines Freiausschanks keine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG. Vorliegend ging es um einen Verpachtungsbeschluss dieser Fläche für jeweils 6 Monate im Jahr (in der Zeit vom 1.4. bis 30.9. eines jeden Jahres). Insoweit ist auch nicht von einer auf Dauer angelegten gegenständlichen Veränderung des Grundstücks zu sprechen.

4. Die Veräußerung des Wohnungseigentums während eines rechtshängigen WEG-Verfahrens lässt i.Ü. die Verfahrensbefugnis des Veräußerers grundsätzlich unberührt (§ 265 ZPO). Einer formellen Beteiligung des Erwerbers durch das Gericht bedarf es nicht (vgl. BGH, NJW 2001, 3339).

5. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert für alle Instanzen von 5.000 EUR.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 28.03.2002, 2Z BR 182/01)

Anmerkung

Welche Irritationen die BGH-Entscheidung v. 20.9.2000 (NJW 2000, 3500) auslösen kann, beweist erneut die hier vom Senat revidierte Auffassung der Vorinstanz (des LG). Vorliegend sollte mit dem entgeltlichen Verpachtungsbeschluss kein Sondernutzungsrecht an einer Gemeinschaftsfläche eingeräumt werden. Die im Rahmen des § 15 WEG grundsätzlich mögliche Vermietung/Verpachtung an Gemeinschaftsräumen/Gemeinschaftsflächen wurde i.Ü. ausdrücklich auch vom BGH mit vorausgehender Entscheidung v. 29.6.2000 (NJW 2000, 3211) bestätigt, dort sogar mangels Nachteilswirku...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge