So lange eine der in Kap. 2.1 bezeichneten Anlagen sich auf das Grundstück beschränkt, auf dem sie sich befindet und weder mit ihren Bestandteilen (etwa Staubverwehungen einer Erddeponie) noch in sonstiger Weise (etwa Lärmbelästigung und Kotverschmutzung durch die Tauben eines Taubenschlags) grenzüberschreitend auf benachbarte Grundstücke einwirkt, kann gegen sie auf der Grundlage des § 907 Abs. 1 BGB nichts unternommen werden.
2.2.1.1 Ästhetische oder optische Einwirkungen
Deshalb sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch sog. ideelle, d. h. ästhetische oder optische Einwirkungen (Belästigungen), wie etwa der Anblick eines benachbarten unaufgeräumten Lagerplatzes für Baumaterialien nach § 907 BGB im Allgemeinen nicht abwehrfähig.
Allerdings sollen nach Meinung des BGH in besonders krassen Fällen Abwehransprüche nicht ausgeschlossen sein.
"Müllplatz" an Grundstücksgrenze
Gestützt auf diese Rechtsmeinung hat das Amtsgericht Münster einen Beseitigungsanspruch des Nachbarn aus den §§ 1004 Abs. 1, 906 BGB in einem Fall anerkannt, in dem ein Grundstückseigentümer sozusagen provokativ unmittelbar an seiner Grundstücksgrenze eine blaue Regentonne, einen weißen und einen schwarzen Eimer, zerbrochene Gehwegplatten, Ziegelsteine und Betonsteine so abgelagert hatte, dass sie verdeckt für ihn nur von der Nachbarseite aus zu sehen waren.
Diese Argumentation ist auch im Rahmen des § 907 Abs. 1 BGB von Bedeutung, weil der Maßstab der Unzulässigkeit bzw. Zulässigkeit von Einwirkungen bei § 907 BGB kein anderer als bei § 906 BGB ist.
2.2.1.2 Negative Einwirkungen
In gleicher Weise sind nach der Rechtsprechung des BGH sog. negative Einwirkungen, wie der Entzug von Licht oder das Verbauen der Aussicht im Allgemeinen nicht abwehrfähig.
Der BGH hat diese Auffassung damit begründet, dass sich nach allgemeiner Ansicht in Rechtsprechung und Literatur der Begriff der "unzulässigen Einwirkung" im Sinn von § 907 BGB aus den allgemeinen Vorschriften über Eigentum und Nachbarrecht ergibt, und zwar insbesondere aus den §§ 903, 905 und 906 BGB. Danach könne aber nur die Beseitigung solcher Anlagen verlangt werden, die durch ihren Bestand oder ihre Nutzung in sinnlich wahrnehmbarer Weise über die Grundstücksgrenze auf Nachbargrundstücke positiv einwirken. Dagegen müssten Anlagen, die sich auf der Grundfläche des Grundstücks, auf dem sie errichtet wurden, halten und nicht unmittelbar und positiv in das Gebiet des Nachbargrundstücks hinübergreifen, sondern dieses nur negativ beeinträchtigen, geduldet werden. Dieses Ergebnis entspreche dem Willen des Gesetzgebers.
In besonders krassen Fällen bemüht der BGH das Rechtsinstitut des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, um doch noch zu einem gerechten Interessenausgleich zu gelangen.
Bildung eines Kaltluftsees durch Erddeponie
So geschehen in einem Fall, bei dem sich durch eine Erddeponie auf dem Nachbargrundstück am Fuß eines angrenzenden Weinbergs ein sog. Kaltluftsee gebildet hatte. Ein solcher kann dadurch entstehen, dass im Normalfall die Kaltluft wegen ihres niedrigeren spezifischen Gewichts in abfallendem Gelände der Schwerkraft folgend nach unten abfließt. Dieser Vorgang kann durch Hindernisse verlangsamt oder ganz unterbunden werden. Als Folge davon staut sich die kalte Luft vor dem Hindernis; es bildet sich ein sog. Kaltluftsee. Im zu entscheidenden Fall waren durch einen solchen Kaltluftsee erhebliche Frostschäden an Rebstöcken entstanden, für die der Weinbergsbesitzer Entschädigung verlangte.
Der BGH hat die Erddeponie zwar nicht als Anlage im Sinn des § 907 Abs. 1 BGB gewertet, weil sie nicht selbst aktiv auf den Weinberg eingewirkt, sondern lediglich abwehrend einen physikalischen Vorgang auf dem Weinberg beeinflusst habe. Andererseits hätte aber nach Meinung des BGH der Weinbergsbesitzer eine Rücksichtnahme auf sein Eigentum aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses verlangen können, wenn es mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen möglich gewesen wäre, die Erddeponie schon bei ihrer Anlage (etwa durch Schaffung von Zwischenräumen oder den Einbau von Rohren) technisch so zu gestalten, dass sich kein Kaltluftsee bildet. Mit dieser Argumentation hat der BGH sowohl einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch des Weinbergsbesitzers nach § 823 Abs. 1 BGB als auch einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bejaht.