Leitsatz
Das am 29.09.1933 erlassene Reichserbhofgesetz findet nur auf solche Nachlässe Anwendung, die zum Stichtag 24.04.1947 noch nicht geregelt waren. Eine Regelung liegt nicht vor, wenn zwar ein gesetzlicher Erbe den Hof in Besitz genommen und bewirtschaftet hat, die Miterben jedoch einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt und erteilt bekommen haben.
Sachverhalt
Der Antragsteller begehrt die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins, der seinen verstorbenen Vater als Anerben nach dem Reichserbhofgesetz ausweist. Ursprünglicher Eigentümer des Anwesens war der Großvater des Antragstellers, der zu seinem Tod am 29.02.1940 seine Ehefrau sowie 8 Kinder hinterließ. Der ursprüngliche Hoferbe, zu dessen Gunsten der Vater des Antragstellers auf sein Hoferbrecht verzichtet hatte, fiel 1945 im Krieg. Sodann übernahm der Vater des Antragstellers die Hofstelle. 1952 erteilte das AG einen Erbschein nach dem 1945 verstorbenen Sohn, der von seiner Mutter zu ½ und den 7 Geschwistern zu je 1/14 beerbt wurde.
1997 kam es zu einem notariellen Erbteilsübertragungsvertrag betreffend den Nachlass des verstorbenen Bruders. Darin übertrugen die Erben und Erbeserben ihre Erbanteile auf den Antragsteller gegen Zahlung eines Kaufpreises von 75.000 DM. Da nicht alle Erben ihre Zustimmung erteilten, kam es nicht zur Auszahlung des Kaufpreises.
Der Antragsteller vertritt die Ansicht, das Reichserbhofgesetz sei in diesem Falle nicht durch Art. XII Abs. 2 des Kontrollratsgesetzes vom 20.02.1947 außer Kraft gesetzt worden, da der Nachlass bereits vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes abschließend geregelt worden sei. Sein Vater hatte den Hof nach dem Krieg nämlich in Besitz genommen und bewirtschaftet und die weiteren Erbprätendenten hätten nicht innerhalb von drei Jahren Klage erhoben.
Entscheidung
Das rechtsfehlerhaft erteilte Hoffolgezeugnis ist einzuziehen, da der Antragsteller die Erbfolge nicht auf § 15 Abs. 2 Erbhöferechtsverordnung i.V.m. §§ 19, 20 Nr. 3, 21 Abs. 3 Reichserbhofgesetz stützen kann. Die genannten Vorschriften sind durch Art. I i.V.m. Art. XII Abs. 2 des Kontrollratsgesetzes außer Kraft gesetzt worden. Das Kontrollratsgesetz fand Anwendung auf die Nachlässe, die bei In-Kraft-Treten des Gesetzes am 24.04.1947 noch nicht geregelt waren. Ein Erbfall galt als geregelt, wenn gegen den - vermeintlichen - Erben nicht binnen drei Jahren nach dem Erbfall Klage erhoben worden war. Sinn des Kontrollratsgesetzes war es gerade, das nationalsozialistische Gesetz weitgehend einzuschränken, indem nur die abgeschlossenen Sachverhalte Bestand haben sollten.
Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes eines geregelten Nachlasses liegen hier nicht vor. Eine Regelung des Nachlasses durch ein rechtskräftiges Urteil oder einen rechtskräftigen Beschluss lässt sich nicht feststellen. Die vorliegende Genehmigung des Anerbengerichts hinsichtlich der Verzichtserklärung zugunsten des gefallenen Bruders betrifft eine andere Erbfolge, nämlich die nach dem Großvater und ursprünglichen Hofeigentümer. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Erbfolge nach dem Nachfolger des Großvaters.
Es gibt auch keine rechtsgültige Vereinbarung der übrigen Familienmitglieder über den Nachlass. Alle zur Erbschaft berufenen Personen hätten demnach ihr Einverständnis mit der Hofübernahme bekunden müssen, wofür keine ausreichenden Anhaltspunkte gegeben sind. Allein die tatsächliche Bewirtschaftung des Hofes reicht dafür nicht aus. Auch der später erteilte Erbschein lässt den Rückschluss zu, dass der Vater des Antragstellers sich nur als Miterbe zu 1/14 begriff und nicht als Hoferbe. Eine Erklärung der Großmutter vom 10.12.1947, wonach sie dem Vater des Antragstellers den Hof zur Bewirtschaftung übergebe, ist im Hinblick auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Kontrollratsgesetzes am 24.04.1947 ohne Belang.
Schließlich mangelt es auch an der Voraussetzung der dreijährigen unangefochtenen Erbenstellung. Die Gesetzesauslegung ergibt, dass die Ausnahmevorschrift des Kontrollratsgesetzes nur auf bereits bei Erlass des Gesetzes drei Jahre zurückliegenden Erbfälle Anwendung finden sollte. Der Nachlass des im April 1945 verstorbenen Hoferben kann nach dieser Auslegung aber nicht als geregelt angesehen werden.
Link zur Entscheidung
OLG Naumburg, Beschluss vom 20.01.2006, 10 Wx 4/05