Leitsatz
Getrennt lebende Eheleute suchten eine Rechtsanwältin auf, um sie für die Durchführung eines einverständlichen Ehescheidungsverfahrens mit einem "gemeinsamen Anwalt" zu beauftragen. Ein Mandat wurde allein von dem Ehemann erteilt. Über den Inhalt einer Trennungsvereinbarung waren sich die Eheleute einig. Die Aufgabe der Anwältin sollte sein, diese Einigung in eine rechtlich haltbare Form zu bringen. Konkret widerstreitende Interessen lagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.
Schwierig wurde die Regelung der Vermögensauseinandersetzung und des Zugewinnausgleichs sowie des nachehelichen Unterhalts. Es gab erhebliches gemeinsames Immobilienvermögen zu verteilen, im Übrigen verfügten die Eheleute über deutlich unterschiedlich hohe Einkünfte.
Die Rechtsanwältin unternahm über längere Zeit den Versuch, zu vermitteln und einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Als sie keine Möglichkeit mehr sah, die Interessen der Ehefrau ausreichend berücksichtigt zu sehen, kündigte sie das Mandat gegenüber dem Ehemann, der für eine neue anwaltliche Vertretung sorgen musste.
In der Folgezeit nahm die Rechtsanwältin den Ehemann auf Zahlung ihrer Honorarrechnung in Anspruch. Gegen das erstinstanzlich ergangene Urteil des Landgerichts legte der Ehemann Berufung ein.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das KG billigte der Rechtsanwältin zu, wegen der Trennungsvereinbarung abrechnen zu können. Soweit sie den Beklagten und seine Ehefrau zunächst im Hinblick auf die am 1.7.2005 zwischen ihnen abgeschlossene Vereinbarung gemeinsam beraten habe, liege ein wirksamer anwaltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag vor, aus dem sie einen Honoraranspruch herleiten könne.
Dagegen sei der zwischen den Parteien am 1.7.2005 geschlossene Vertrag, der auf die außergerichtliche Tätigkeit der Rechtsanwältin im Rahmen der noch nicht geregelten Scheidungsfolgen Güterrecht und nachehelicher Unterhalt gerichtet gewesen sei, wegen Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nichtig, so dass der Rechtsanwältin für die anwaltlichen Leistungen, die sie ab dem 2.7.2005 erbracht habe, ein Vergütungsanspruch nicht zustehe.
Nach § 43a Abs. 4 BRAO dürfe der Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Die Auslegung dieser Vorschrift werde in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich vorgenommen.
Die im Schrifttum ganz überwiegend vertretene rein objektive Sichtweise habe das BVerfG in einer Entscheidung vom 3.7.2003 (BVerfGE 108, 150 ff. - Interessenkollision durch Sozietätswechsel eines Rechtsanwalts) dahingehend relativiert, dass eine Einschränkung des Tätigkeitsverbots für Rechtsanwälte aus verfassungsrechtlichen Gründen stets nur unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen dürfe, wenn in dem konkreten Einzelfall ein Interessenkonflikt erkennbar oder ernsthaft zu besorgen sei.
In dem konkreten Fall habe kein Konflikt in Bezug auf die Trennungsvereinbarung vorgelegen, weil die Parteien diese bereits selber ausgehandelt hätten und es letztendlich nur noch darum gegangen sei, diese Einigung in eine rechtlich haltbare Form zu bringen. Bezüglich der Ehescheidungsfolgen hingegen seien widerstreitende Interessen "vorprogrammiert" gewesen. Die Verteilung von Immobilienbesitz zum einen und die erheblichen Einkommensunterschiede zum anderen ließen eine unproblematische Einigung von Eheleuten selten zu.
Hinweis
Obgleich es nach der vom KG vertretenen Auffassung kein generelles Verbot für einen Anwalt gibt, beide Eheleute im Rahmen eines Scheidungsmandats zu vertreten, ist insoweit größte Vorsicht geboten. Der in Familiensachen häufig mandatierte Rechtsanwalt weiß, wie schnell eine anfängliche oder vermeintliche Einigkeit zwischen den Parteien in eine hochstreitige Situation umschlagen kann.
Jeder Praktiker sollte daher den sichersten Weg gehen und daran festhalten, nur und ausschließlich Interessenvertreter entweder des Ehemannes oder der Ehefrau zu sein und nicht beide vertreten zu können.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Urteil vom 12.07.2007, 16 U 62/06