Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsame anwaltliche Beratung getrennt lebender Eheleute und Vergütungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Die gemeinsame anwaltliche Beratung getrennt lebender Eheleute über Trennungsfolgen einschließlich der Abfassung einer Trennungsvereinbarung verstößt nicht in jedem Fall gegen das Verbot widerstreitender Interessen gem. § 43a Abs. 4 BRAO. Wenn sich allerdings widerstreitende Interessen der Eheleute konkret abzeichnen (hier im Rahmen der außergerichtlichen Vermögensauseinandersetzung), verbietet sich die beiderseitige anwaltliche Beratung und Interessenvertretung. Setzt der Rechtsanwalt nun die beiderseitige Beratung der Eheleute fort - hier noch unter Führung zahlreicher Separatgespräche mit einem Ehepartner, so ist der auf die Regelung der Scheidungsfolgen gerichtete anwaltliche Geschäftsbesorgungsvertrag nichtig (§ 43a Abs. 4 BRAO; § 134 BGB) mit der Folge, dass dem Rechtsanwalt insoweit kein Vergütungsanspruch zusteht.
Normenkette
BRAO § 43a Abs. 4; BGB § 134
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 13.10.2006; Aktenzeichen 8 O 190/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 13.10.2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 8 des LG Berlin geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.383,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.4.2006 sowie weitere 5 EUR Mahnkosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu ¾ und der Beklagte zu ¼ zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Der Beklagte verfolgt mit der Berufung sein Begehren auf Klageabweisung weiter. Er macht geltend, das LG habe fehlerhaft damit argumentiert, dass die Klägerin im Sinne einer Mediation habe tätig werden sollen. Es sei aber vom Beklagten und seiner Ehefrau keine Mediation, sondern eine einverständliche Scheidung mit einem gemeinsamen Anwalt erwünscht gewesen. Die "Interessengleichheit", die viele mandatsantragende Eheleute anfänglich sehen würden, sei in aller Regel sehr vordergründig, weil sie Kosten sparen wollten.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache überwiegend Erfolg.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Vergütungsanspruch nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu (§§ 611 Abs. 1, 675 BGB).
Soweit die Klägerin den Beklagten und seine Ehefrau zunächst im Hinblick auf die am 1.7.2005 abgeschlossene Trennungsvereinbarung gemeinsam beraten hat, liegt ein wirksamer anwaltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag vor, aus dem die Klägerin einen Honoraranspruch herleiten kann.
Dagegen ist der zwischen den Parteien am 1.7.2005 geschlossene Vertrag, der auf die außergerichtliche Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der noch nicht geregelten Scheidungsfolgen Güterrecht und nachehelicher Unterhalt gerichtet war, wegen Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nichtig (§§ 43a Abs. 4 BRAO, 134 BGB), so dass der Klägerin für die anwaltlichen Leistungen, die sie ab dem 2.7.2005 erbracht hat, kein Vergütungsanspruch zusteht.
Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO darf der Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten.
Die Auslegung dieser Vorschrift wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich vorgenommen.
Im Schrifttum wird ganz überwiegend vertreten, dass es auf eine objektive, d.h. vom Standpunkt der Parteien unabhängige Bewertung der Interessenlage ankomme. Deshalb dürfe der Anwalt auch bei einer einverständlichen Scheidung nur einen Ehepartner vertreten. Er müsse es vermeiden, sich von gemeinsam erschienenen Ehegatten in ein Beratungsgespräch verwickeln zu lassen, weil er in aller Regel bereits damit einen Interessenkonflikt, der sich aus dem einheitlichen Lebenssachverhalt der Ehe ergebe, wecke. Die einverständliche Scheidung gem. § 630 Abs. 1 ZPO sei nur verfahrenstechnisch einverständlich, materiell-rechtlich beruhe auch sie auf dem einheitlichen Lebensverhältnis der Ehe, das sehr unterschiedliche rechtliche Wertungen zulasse (vgl. Heussler/Prüttimg, BRAO, 2. Aufl., § 43a Rz. 150 f.; Hartung, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl. 2006 Rz. 57 ff.).
In gleicher oder ähnlicher Weise haben sich das OLG Karlsruhe (2. KG, NJW 2001, 3197) und das LG Hildesheim (FF 2006, 272) geäußer...