Leitsatz
Das OLG Saarbrücken hat sich in dieser Entscheidung mit den Kriterien für die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil bei deren Getrenntleben auseinandergesetzt und dezidiert zu den Grundsätzen Stellung genommen, die von Bedeutung für die Sorgerechtsentscheidung sind.
Sachverhalt
Aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe der Parteien waren zwei Kinder hervorgegangen, die nach der räumlichen Trennung der Eltern zunächst im Haushalt der Mutter lebten, die eine neue Beziehung eingegangen war.
Später wechselten beide Kinder aufgrund einer im Raum stehenden Inobhutnahme vorübergehend in den Haushalt des Vaters und kehrten ca. eine Woche später wieder zur Mutter zurück, wechselten jedoch kurz darauf wieder in den Haushalt des Vaters, wo sie seither lebten.
Der Vater hat sodann beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht, da Recht zur Personensorge sowie das Recht der medizinischen Versorgung für beide Kinder zu übertragen.
Die Kindesmutter hat sich seinen Anträgen widersetzt.
Für beide Kinder wurde ein Verfahrensbeistand bestellt, der - ebenso wie das Jugendamt - den Wechsel der Kinder in den Haushalt des Vaters befürwortete.
Das Familiengericht hat sodann - nach Anhörung aller Beteiligten und der Kinder - dem Vater unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen.
Hiergegen wandte sich die Mutter mit ihrer Beschwerde.
Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass das FamG zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens dem Vater nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen habe, da diese Regelung dem Wohl der betroffenen Kinder am besten entspreche.
Bei der allein am Kindeswohl auszurichtenden Frage, welchem der Eltern die elterliche Sorge oder - wie hier - ein Teilbereich dieser zu übertragen sei, seien die Erziehungsgeeignetheit der Eltern - einschließlich ihrer Bindungstoleranz -, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Kindeswille als gewichtige Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392; 1985, 169).
Außer diesen Aspekten seien je nach den Begleitumständen des Falles weitere Gesichtspunkte wie Erziehungsbereitschaft, häusliche Verhältnisse, soziales Umfeld und Grundsätze wie der einzubeziehen, dass Geschwister nicht ohne besonderen Grund voneinander getrennt werden sollten (BGH FamRZ 1985, 169).
Aus diesen - allgemein beschriebenen - Sorgerechtsbelangen ließen sich im Besonderen die für die Sorgerechtsentscheidung relevanten Grundsätze herleiten.
Die genannten Kriterien ständen letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander, jedes von ihnen könne im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspreche (BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392).
Die genannten Kriterien ständen über den allüberstrahlenden und letztentscheidenden Begriff des Kindeswohls in innerer Beziehung zueinander und könnten sich gegenseitig verstärken oder aufheben (vgl. BGH FamRZ 1985, 169).
An diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben gemessen kam auch das OLG zu dem Ergebnis, dass es dem Kindeswohl bei den gegebenen Umständen am besten entspreche, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen werde. Die hiergegen gerichteten Beschwerdeangriffe der Mutter drängen nicht durch.
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Beschluss vom 20.01.2011, 6 UF 106/10