Leitsatz
Das KG hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Vater eines außerhalb einer bestehenden Ehe geborenen Kindes gegen den Willen der Mutter die Mitsorge für das Kind einzuräumen ist.
Sachverhalt
Nicht miteinander verheiratete Eltern stritten um die elterliche Sorge für ihr im September 2007 geborenes Kind.
Die elterliche Sorge stand allein der Kindesmutter zu. Der Vater begehrte die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Die Kindesmutter hatte bereits im Januar 2006 eine privatschriftliche Erklärung abgegeben, wonach sie bereit sei, die elterliche Sorge für das Kind mit dem Vater gemeinsam auszuüben.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Antrag des Vaters auf Mitübertragung der elterlichen Sorge zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Vater Beschwerde eingelegt. Sein Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das KG hat die Beschwerde zurückgewiesen und ist hierbei von der Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 (FamRZ 2010, 1403) ausgegangen, wonach die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge voraussetze, dass die Übertragung dem Kindeswohl am besten entspreche. Diese Voraussetzung hielt das KG im vorliegenden Fall für nicht gegeben, da die Eltern nicht in der Lage seien miteinander zu kommunizieren und im Interesse des gemeinsamen Kindes zu kooperieren. In wichtigen das Kind betreffenden Fragen seien sich die Eltern uneinig. Auch der Umgang bzw. die Übergabesituationen verliefen nicht konfliktfrei, sondern es komme zu Beleidigungen der Mutter und des Stiefbruders.
Uneinig seien sich die Eltern zudem in der Frage der Gesundheitsfürsorge für das Kind.
In wichtigen und die Belange des Kindes unmittelbar berührenden Punkten seien die Eltern nicht in der Lage, eine eigenverantwortliche Lösung einvernehmlich und konfliktfrei zu erörtern.
Besonders negativ wertete das KG zudem den Umstand, dass der Vater seiner Unterhaltspflicht nicht nachkam und sich gegen seine gerichtliche Inanspruchnahme mit fadenscheinigen Gründen wehrte und zudem die Ansicht vertrat, er zahle deswegen nicht, weil ihm nicht ausreichend Umgang gewährt werde. Hierin liege eine Missachtung seiner finanziellen Sorgepflicht und die sachwidrige Verknüpfung von Unterhalt und Umgang. Hierin sah das KG ein bedeutsames Indiz für die fehlende Bereitschaft des Vaters, die Mitsorge verantwortungsvoll wahrzunehmen.
Für die Frage, inwieweit die Bestellung eines Verfahrensbeistandes zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes in Verfahren aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung aller Gesichtspunkte erforderlich sei bzw. ob aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls ein erheblicher Gegensatz zwischen den Interessen des Kindes und denjenigen der sorgeberechtigten Mutter bestehe, könne eine übereinstimmende Erklärung der Kindeseltern, einen Verfahrensbeistand nicht für geboten zu erachten, herangezogen werden.
Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens seien Angaben dahingehend erforderlich, in welche Richtung und mit welchem Ziel ermittelt werden solle. Auch in einem Amtsverfahren könne von allen Beteiligten erwartet werden, dass die nötigen Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen aufgezeigt würden.
Hinweis
Eine lesenswerte Entscheidung, in der das KG sich sehr gründlich mit den anerkannten Grundsätzen bei der Beurteilung des Kindeswohls auseinandergesetzt hat. Kooperation lässt sich nicht durch das Gebot zum Konsens ersetzen, sie muss gelebt werden. Wichtig und begrüßenswert ist auch der Hinweis und die Betonung der Barunterhaltspflicht. In der anwaltlichen Praxis sollte sich der Verfahrensbevollmächtigte eines Kindesvaters vor Einreichung eines Antrages auf Übertragung der elterlichen (Mit-)Sorge davon überzeugen, dass er seiner Unterhalts- sowie Umgangspflicht nachkommt. Der antragstellende Elternteil muss vor Einleitung eines Verfahrens gerade in diesen Punkten seine Verantwortungsbereitschaft gelebt haben. Anderenfalls macht ein Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge wenig Sinn, wie die Entscheidung des KG deutlich aufzeigt.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Beschluss vom 16.02.2012, 17 UF 375/11