1 Leitsatz
Die Frage, ob eine Abnahme nicht erklärt ist, kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein.
2 Normenkette
WEG § 10 Abs. 6 Satz 1; ZPO § 256 Abs. 1
Sachverhalt
Wohnungseigentümer K klagt gegen Bauträger B auf die Feststellung, weder habe er selbst das gemeinschaftliche Eigentum abgenommen, noch habe ein Dritter mit Wirkung für ihn das gemeinschaftliche Eigentum abgenommen. Streitig ist, ob dieser Antrag überhaupt zulässig ist.
Entscheidung
Nach Ansicht des BGH wolle K nicht allein geklärt wissen, ob eine Abnahme erklärt worden ist. Denn die Parteien stritten in der Sache über die Frage, ob sich ihre rechtlichen Beziehungen hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums durch den Eintritt der Abnahmewirkungen geändert haben. Der von K gestellte Feststellungsantrag beinhalte daher bei verständiger Würdigung auch die Klärung, ob eine der Abnahme gleichstehende Konstellation zu bejahen sei. Die so verstandene Feststellungsklage sei zulässig. Der Zulässigkeit stehe nicht entgegen, dass die Wohnungseigentümer im Fall ihre Rechte auf ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums bereits vergemeinschaftet hätten. Inhaber des Anspruchs auf eine ordnungsmäßige Herstellung und der sonstigen in Betracht kommenden Rechte aus dem Bauträgervertrag blieben auch nach einer Vergemeinschaft die jeweiligen Erwerber.
Hinweis
K und B verbindet ein Bauträgervertrag. Dies ist u. a. ein Vertrag, der die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand hat und der zugleich die Verpflichtung des Unternehmers enthält, dem Besteller das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen. Der Besteller, im Fall B, erwirbt aus diesem Bauträgervertrag u. a. das Recht, dass der Bauträger das Sondereigentum, aber auch das gemeinschaftliche Eigentum mangelfrei errichtet. Ist es nicht so, hat der Besteller gegen den Bauträger "Mängelrechte". Ist das Werk mangelhaft, kann er grundsätzlich Nacherfüllung verlangen, den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, die Vergütung mindern und Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen, allerdings wohl nicht kündigen. Diese Rechte verjähren bei einem Bauwerk 5 Jahre nach der Abnahme.
Fehlt es an einer Abnahme, bestehen die Rechte grundsätzlich "ewig". Im Fall ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar, dass K es nicht gern sähe, gäbe es eine Abnahme. Dass eine Klage zur Lösung dieser Frage, wie der BGH klärt, zulässig ist, ist für den Verwalter von keiner großen Bedeutung. Denn es handelt sich um ein prozessuales Problem, das für Rechtsanwälte wichtiger ist.
Spannend sind aber die anderen BGH-Aussagen. Vor allem, dass ein Wohnungseigentümer auch nach einer Vergemeinschaftung seine gegen den Bauträger gerichteten Mängelrechte wegen des gemeinschaftlichen Eigentums nicht verliert bzw. nicht abgibt. Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, in der Regel vertreten durch den Verwalter, wird nur eine "Standschafterin", eine Art "Treuhänderin" für die Rechte der Wohnungseigentümer, die weiterhin den Wohnungseigentümern zustehen. Diese richtige Sichtweise lässt u. a. die sehr verbreitete Praxis als fraglich erscheinen, dass die Gemeinschaft über die Mängelrechte der Wohnungseigentümer "verfügt", also diese z. B. bei einem Vergleich aufgibt. Denn diese Einwirkung auf seine Rechte muss ihr der Rechtsinhaber erlauben. In einem Beschluss, Mängelrechte zu vergemeinschaften, könnte diese Ermächtigung aber nicht liegen. Zur Sicherheit sollte daher der Verwalter vor einer höchstrichterlichen Klärung darauf hinwirken, dass jeder Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer insoweit individuell ermächtigt.
Im Übrigen sollte jeder Verwalter wissen, dass man gar nicht alle Mängelrechte vergemeinschaften kann/muss. Denn soweit es um das Recht zur Minderung und das Recht auf kleinen Schadensersatz geht, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach zurzeit h. M. bereits von Gesetzes wegen allein befugt, sich zu erklären. Denn diese Rechte werden als originär gemeinschaftsbezogen angesehen. Anders ist es hingegen beim Recht, Nacherfüllung zu verlangen und beim Recht, den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen zu können. Diese Mängelrechte kann man vergemeinschaften, selbst dann, wenn sie nur ein Wohnungseigentümer (noch) haben sollte.
Die weiteren Rechte, nämlich der große Schadensersatz und das Recht zur Kündigung, sind im Übrigen für die anderen Wohnungseigentümer, sollten diese Rechte bestehen, "tabu" und können nicht zur einer Aufgabe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemacht werden. Hier kann man nur fragen, was gilt, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der Bauträger sich verglichen haben.
3 Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 9.5.2019, VII ZR 154/18