1 Leitsatz
Der Begriff "Haustier" in einer Gemeinschaftsordnung ist zu unbestimmt.
Ein vereinbartes, generelles Haustierverbot verstößt gegen den Kernbereich der Rechte eines Wohnungseigentümers bzw. gegen §§ 134, 138, 242 BGB.
2 Normenkette
§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG; § 134 BGB
3 Das Problem
Nach der Gemeinschaftsordnung ist die Haustierhaltung, soweit gesetzlich zulässig, verboten. Ungeachtet dessen erwerben die Wohnungseigentümer B1 und B2 als Welpe eine "Flat Coated Retriever-Hündin". Dieser Hund wird von ihrer 10-jährigen Tochter in der Wohnung gehalten. Die Wohnungseigentümer ermächtigen den Verwalter, außergerichtlich und gerichtlich gegen die Hundehaltung vorzugehen. Der Verwalter fordert daraufhin B1 und B2 vergeblich auf, den Hund zu entfernen.
Nun klagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K. B1 und B2 sollen den Hund entfernen und künftig seine Haltung und/oder Unterbringung unterlassen. K behauptet, der Hund verursache Lärm durch Bellen, verursache Dreck und führe zu Geruchsbelästigungen, insbesondere wenn das Tier nass sei. Auch seien die allergenen Hundehaare nicht hinzunehmen. Es hätten sich schon Drittnutzer beschwert.
B1 und B2 behaupten, ihre Tochter habe durch einen Umzug, 2 Schulwechsel sowie die Corona-Isolation einen Leidensdruck mit Angst und Depressionen sowie Symptome einer Computerspielsucht entwickelt. Der Hund sei von einer Fachärztin für Psychotherapie als Therapiehund empfohlen worden. Er habe dazu geführt, dass es ihrer Tochter besser gehe. Würde ihr das Tier wieder weggenommen werden, sei ein gravierender Rückschritt der psychischen Gesundheit des Kindes die Folge. Eine konkrete Belästigung gehe von dem Tier nicht aus. Das Tierhalteverbot in der Gemeinschaftsordnung verstoße gegen Treu und Glauben, auf jeden Fall dessen konkrete Durchsetzung.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg! Da K keine Verhaltensweisen des Hundes behaupte, die über ein "normales Hundeverhalten" hinausgingen, könne sie seine Entfernung und eine Unterlassung künftiger Hundehaltung nur aus der Gemeinschaftsordnung i. V. m. § 1004 Abs. 1 BGB herleiten.
Die einschlägige Regelung der Gemeinschaftsordnung sei jedoch unwirksam. Ein eindeutiger Inhalt, was Haustierhaltung angehe, sei nicht zu finden. Die Regelung bleibe unbestimmt, d. h. nicht klar und eindeutig, und das Verbot sei daher unwirksam (Hinweis u. a. auf BGH, Urteil v. 9.12.2016, V ZR 124/16). Bei der Suche nach der Bedeutung des Wortes "Haustierhaltung" sei über Folgendes nachzudenken: § 833 Satz 2 BGB, wonach Haustiere Nutztiere seien, spiele keine Rolle. Dies sei ein althergebrachtes Verständnis und wohl nur Juristen wüssten von dieser speziellen Einordnung. Sie sei daher nicht naheliegend. Gleiches gelte für die Tiere, die nach tierschutzrechtlichen Bestimmungen in einer Wohnung (artgerecht) gehalten werden dürften. Was darunter falle, sei den meisten Menschen auch unbekannt. Es sei vom Sprachgebrauch naheliegend, dass alle Tiere, die jemand bewusst in seiner Wohnung aufgenommen habe, Haustiere seien. Noch weiter gehe die Definition in Wikipedia, wonach Haustiere Tierarten seien, die durch Domestikation aus Wildtierarten hervorgegangen seien. Auch sei naheliegend, dass in Terrarien gehaltene Tiere, wie giftige Skorpione oder Vogelspinnen, noch Haustiere seien, da sie ein Hobby ihres Eigentümers sein könnten. In einem Aquarium gehaltene Fische seien für den einen noch Haustiere und für den anderen nicht. Es könne ebenfalls als naheliegend angesehen werden, dass Haustiere nur diejenigen Lebewesen seien, die ein Fell hätten, sodass der Mensch sie streicheln wolle und könne. Dies seien die "klassischen" Haustiere. Gewiss bestehe Einigkeit, dass nicht bissige und ungefährliche Hunde wie jener von B1 und B2, unter den gängigen Haustierbegriff fielen. Dies helfe K jedoch nicht. Auch wenn das AGB-Recht nicht anzuwenden sei, so gelte trotzdem regelmäßig der Ausschluss der geltungserhaltenden Reduktion. Es genüge also nicht, dass nach jeder nächstliegenden Auffassung ein Streichel-Hund ein Haustier sei.
Zudem verstoße ein generelles Haustierverbot gegen den Kernbereich der Rechte eines Wohnungseigentümers bzw. gegen §§ 134, 138, 242 BGB. Es gebe viele Haustiere, von denen schlicht keine Beeinträchtigung übriger Wohnungseigentümer ausgehen könne, seien es Hauskatzen, Meerschweinchen, Kaninchen, Fische, Schildkröten oder "allenfalls leise zwitschernde Käfigvögel". Das überzeugende Argument sei hierbei die Willkürlichkeit, d. h., das Fehlen eines sachlichen Grunds, dessen es bedürfe, um die freie Entfaltung der Persönlichkeit einzuschränken.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es nach den Feststellungen des AG um einen Hund, der durch sein Verhalten nicht stört. Andernfalls müsste sein Eigentümer auf ihn einwirken und z. B. übermäßiges Bellen unterbinden. Eine Hundehaltung ist aber dennoch unzulässig, wenn die Wohnungseigentümer das so bestimmt haben. Dazu stehen ihnen 2 Wege offen: Ein Beschluss und eine Vereinbarung. Im Fall geht es um eine Vereinbarung. Für diese kann man fragen, ob sie überhaupt wirks...