Leitsatz

  • Beteiligung aller Wohnungseigentümer von Amts wegen im Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG

    Keine Anfechtung sog. Negativbeschlüsse

 

Normenkette

§ 23 Abs. 4 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG

 

Kommentar

1. In einem Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG sind alle Wohnungseigentümer materiell Beteiligte und deshalb auch förmlich am gerichtlichen Verfahren zu beteiligen. Darauf hinzuwirken ist auch und vornehmlich Sache des Gerichts. Dazu genügt in der Regel die Zustellung der Antragsschrift an den Verwalter der Wohnanlage (BGH, NJW 1981, 282).

2.  § 23 Abs. 4 WEG gilt nicht für so genannte Negativbeschlüsse.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.07.1987, 3 W 66/87)

zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren

Anmerkung:

Der kurzen Sachverhaltsschilderung des Gerichts ist zu entnehmen, dass ein Sondereigentümer seinen Hobbyraum als Gästezimmer nutzen wollte und zu diesem Zweck diverse bauliche Veränderungen auch des Gemeinschaftseigentums vorgenommen hatte. In einer Eigentümerversammlung wurde über das Nachgenehmigungsbegehren der Antragsteller abgestimmt; dabei gab es zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Das Versammlungsprotokoll enthielt die Feststellung, dass der Antrag damit mangels der erforderlichen Einstimmigkeit abgelehnt sei. Daraufhin begehrten die Antragsteller die Verurteilung der beiden Miteigentümer, die in der Versammlung gegen das Vorhaben der Antragsteller gestimmt hatten, zur Duldung näher umschriebener Maßnahmen.

Das OLG Zweibrücken kam hier zum Ergebnis, dass sämtliche Wohnungseigentümer materiell Beteiligte dieses Verfahrens seien, weil die Rechtskraft einer in diesem Verfahren ergehenden Entscheidung für und gegen alle Eigentümer wirke, so dass auch sämtliche Eigentümer am Verfahren zu beteiligen seien. Hierauf müsse allerdings das Gericht achten; es hätte eine Zustellung an den Verwalter als Vertreter der restlichen Eigentümer vorgenommen werden müssen (eine Interessenkollision auf Seiten des Verwalters sei nicht ersichtlich).

M.E. mag diese Ansicht in häufigen Beschlussanfechtungsverfahren gelten, da ein Beschlussanfechtungsantrag gegen sämtliche restlichen Antragsgegner gerichtet ist und die Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Beschlusses Gestaltungswirkung für die Gesamtgemeinschaft entfaltet. Ist allerdings in echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Verpflichtungsantrag auf Zustimmung nur gegen bestimmte Eigentümer gerichtet, hätten m.E. nicht alle Eigentümer formell am Verfahren beteiligt werden müssen. In einem solchen Verfahren sind nicht sämtliche Eigentümer auf der Antragsgegnerseite, allenfalls weitere Beteiligte ohne unmittelbaren Bezug auf das streitige Verfahren der Antragsteller gegen die genannten Antragsgegner. Die Rechtskraft der Entscheidung würde sich m.E. auch nur auf die unmittelbaren Streitparteien erstrecken, d.h. die Zustimmungspflicht der genannten Antragsgegner rechtskräftig bejahen oder verneinen.

Der Senat stellte dann fest, dass jedoch die Erstbeschwerde der Antragsteller im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen wurde.

Begründet wird dies damit, dass die Antragsgegner nach § 22 Abs. 1 i. V. mit § 14 WEG nicht verpflichtet seien, die von der Antragstellerseite beabsichtigte Einwirkung auf das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden (Nachteilswirkung). Die Antragsteller hätten für ihr Umbauvorhaben die Einwilligung sämtlicher Antragsgegner benötigt und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der in der Versammlung gefasste Beschluss von den Antragstellern (?) nicht angefochten worden sei. Die Anfechtung nach § 23 Abs. 4 WEG gelte nämlich nicht für sog. Negativbeschlüsse, d.h. für Abstimmungen der Gemeinschaft, bei denen ein Beschlussantrag nicht die erforderliche Mehrheit oder Einstimmigkeit erreicht.

M.E. hätten zu diesem Problem andere Überlegungen angestellt werden müssen: Wenn tatsächlich ein Mehrheitsbeschluss (bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen) über bauliche Veränderungsmaßnahmen zustande kommt, darf ein solcher Beschluss nur im Ausnahmefall als abgelehnt verkündet werden. Eine solche Ausnahme wurde in anderen oberlandesgerichtlichen Entscheidungen dann bestätigt, wenn alle Eigentümer vor einer Abstimmung willentlich davon ausgingen, dass ein Beschluss nur dann als zustande gekommen betrachtet werden solle, wenn er die Zustimmung aller Eigentümer finde. Im vorliegenden Fall war sicher die Ablehnung des Versammlungsleiters laut Protokoll rechtsfehlerhaft, wobei es nicht einmal auf die Protokollierung ankäme, sondern die tatsächliche Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses in der Versammlung. War von einer solchen Ausnahmesituation nicht auszugehen, wäre der mehrheitlich genehmigende bauliche Veränderungsbeschluss mangels fristgemäßer Anfechtung bestandskräftig geworden. In einem solchen Fall hätte es dann nicht einmal mehr nach Ablauf der Anfechtungsfrist der entsprechenden Antragstellung bedurft. Tatsächlich wäre trotz der fehlerhaften Feststellung des Versammlungsleiters von einem Mehrheitsbeschluss auf (Nach-)Genehm...

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