Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Für Vollstreckungsgegenklage ist ebenfalls das Wohnungseigentumsgericht zuständig
Duldungsvollmacht des anwaltlichen Verfahrensvertreters
Aufwendungsersatzansprüche des Verwalters (Aufrechnung, Verjährung)
Normenkette
§ 43 Abs. 1 WEG, § 167 BGB, § 87 ZPO, § 766 ZPO, § 767 ZPO, § 794 ZPO, § 795 Abs. 1 Nr. 2 ZPO
Kommentar
1. Der Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in einer Wohnungseigentumssache ist beim Wohnungseigentumsgericht geltend zu machen. Zwar ist zwischen den Streitigkeiten nach § 43 Abs. 1 WEG und dem selbstständigen Kostenfestsetzungsverfahren zu unterscheiden. Da der Kostenfestsetzungsbeschluss aber nur die Entscheidung des Gerichts bzgl. der Höhe der Kosten ergänzt und in einem zur ersten Instanz gehörenden Nachverfahren ergeht, richtet sich die Frage der Zuständigkeit nach der Zuständigkeit für das Hauptverfahren. § 767 ZPO ist auf die Vollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend anwendbar ( §§ 794, 795 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die in § 767 ZPO genannten Einwendungen können deshalb durch einen Gegenantrag beim Wohnungseigentumsgericht geltend gemacht werden; das Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Abwehrantrag ist gegeben, wenn eine Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss ernstlich droht.
2. Die Grundsätze der Duldungsvollmacht gelten auch bei anwaltlicher Verfahrensvollmacht. Eine solche Verfahrensvollmacht erlischt im Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer mit der Widerrufserklärung des Vollmachtgebers an den Bevollmächtigten ( §§ 168 S. 3, 167 Abs. 1 BGB) oder mit Beendigung des der Vollmacht im Innenverhältnis zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem ( § 168 S. 1 BGB). Eine bereits ausgeübte Verfahrensvollmacht erlischt jedoch gem. § 87 Abs. 1 ZPO dem Gegner gegenüber erst durch eine nicht an eine Form gebundene Anzeige des Erlöschens der Vollmacht; diese Anzeige kann vom Vollmachtgeber, vom bisherigen oder vom neuen Bevollmächtigten gemacht werden; sie ist regelmäßig als Widerruf der Vollmacht aufzufassen, wenn sie von dem Beteiligten selbst oder von dem neuen Verfahrensbevollmächtigten ausgeht. Im vorliegenden Fall ist damit der Widerruf der Vollmacht an einen Anwalt auch gegenüber dem Antragsteller wirksam geworden; der Antragsgegner muss sich jedoch vorliegend die Entgegennahme und Einlösung eines Schecks durch diesen Anwalt nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht als eine schuldbefreiende Zahlung an einen berechtigten Empfänger entgegenhalten lassen. Eine Duldungsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertreter es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist; unerheblich ist das Fehlen eines Bevollmächtigungswillens. Wer nämlich wissentlich den Tatbestand einer Duldungsvollmacht setzt, kann sich wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nicht auf den fehlenden Bevollmächtigungswillen berufen. Während das Verhalten des Vertretenen, aus dem der Geschäftsgegner auf die Bevollmächtigung schließt, bei der Anscheinsvollmacht i. d. R. von einer gewissen Häufigkeit oder Dauer sein muss, besteht dieses Erfordernis bei der Duldungsvollmacht, bei der es um bewusstes Dulden geht, nicht. Diese Grundsätze über die Duldungsvollmacht sind auch auf die anwaltliche Verfahrensvollmacht anwendbar (vgl. BGH, NJW 1975, 1652).
3. Wohnungseigentümer haften für Aufwendungsersatzansprüche des Verwalters als Gesamtschuldner. Vorliegend waren diese Ansprüche des Verwalters jedoch verjährt, da sie nämlich gem. § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB in 2 Jahren verjähren (vgl. BayObLG, Entscheidung v. 6. 4. 84, 2 Z 7/83). Nach § 390 S. 2 BGB schließt die Verjährung die Aufrechnung zwar dann nicht aus, wenn die verjährte Forderung zu der Zeit, zu welcher sie gegen die andere Forderung aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt war. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.
4. In der Rechtsbeschwerdeinstanz kann eine Hilfsaufrechnung nicht auf einen neuen Sachvortrag gestützt werden.
5. Ein Antrag auf Herausgabe eines Vollstreckungstitels wegen vollständiger Befriedigung des Gläubigers ist zwar zulässig; zur Entscheidung hierüber sind wegen der Rechtsanhängigkeit des Begehrens mit einem Vollstreckungsgegenantrag in Wohnungseigentumssachen auch die Wohnungseigentumsgerichte zuständig. Im vorliegenden Fall war jedoch der Antrag unbegründet, weil nur eine Teilbefriedigung vorlag.
6. Über Erinnerungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung nach § 766 ZPO entscheidet jedoch nicht das Wohnungseigentumsgericht, sondern das Vollstreckungsgericht.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 08.03.1990, BReg 2 Z 2/90)
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