Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 43 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 21 Abs. 4 WEG, § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG, § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG
Kommentar
1. Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt ist der Streit über die Zugehörigkeit von Gegenständen zum gemeinschaftlichen Eigentum oder Sondereigentum vor dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Wohnungseigentumsgericht) auszutragen, wenn es sich um eine Vorfrage zur Entscheidung über Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis handelt
2. Eine Gemeinschaft kann auch Gegenstände des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch einen Beschluss - hier die Kostentragung für Balkonisolierungsreparaturen im Auftrag eines Sondereigentümers - dem Sondereigentum zuordnen. Hat ein einzelner Eigentümer eine dringliche Reparatur an einer Balkonisolierung (Gemeinschaftseigentum nach herrschender Rechtsmeinung) vorgenommen, steht ihm auch ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die Miteigentümer nach§ 21 Abs. 4 WEG und § 683 BGB zu, weil der Eigentümer mit der Reparatur im Interesse und im mutmaßlichen Willen der Miteigentümer gehandelt hat (selbst wenn kein Fall der Notgeschäftsführung vorgelegen haben soll). Der Aufwendungsersatzanspruch ist allerdings die Ausnahme, da Instandhaltungen des gemeinschaftlichen Eigentums zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören und gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WEG in erster Linie Aufgabe des Verwalters sind, der je nach Dringlichkeit mit oder ohne Ermächtigung durch die Wohnungseigentümer tätig werden kann. Ein einzelner Eigentümer muss hier jedoch nicht erst den Versuch unternehmen, über die Verwaltung einen Eigentümerbeschluss zur Sanierung herbeizuführen; er ist auch bei Dringlichkeit der Reparatur nicht verpflichtet, zwingend vor einem Sanierungsauftrag das Gericht anzurufen.
3. Das OLG erwähnt dann noch beiläufig, dass allerdings Mehrheitsbeschlüsse möglich sind, durch die die Kostentragung für gemeinschaftliches Eigentum abweichend von § 16 Abs. 2 WEG geregelt wird.
Diese Begründung ist meines Erachtens nur zutreffend, soweit nicht in einer Gemeinschaftsordnung ein Kostenverteilungsschlüssel verbindlich vereinbart wurde (entweder nach dem abdingbaren gesetzlichen Vorschlag des § 16 Abs. 2 WEG oder aber auch nach anderen Bewertungsmaßstäben). Ein in einer Gemeinschaftsordnung verankerter Verteilungsschlüssel kann grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Eigentümer geändert werden; selbstverständlich kann auch ein Mehrheitsbeschluss einen dinglich vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel ändern; wird ein solcher Beschluss nicht angefochten, wird er bestandskräftig und gültig [sog. vereinbarungs- oder gesetzesändernder (Zitter-)Beschluss aus heutiger Sicht]. Nur in diesem Sinne dürfte wohl der Hinweis des OLG Frankfurt auch unter Bezug auf eigene Entscheidung in DWE 83, 121 und Bärmann-Pick-Merle § 5 Rdz. 51 und § 16 Rdz. 120 zu verstehen sein.
Link zur Entscheidung
( OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 09.02.1984, 20 W 640/83)
Zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren