Leitsatz

Die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hindert die Geltung einer in kommunales Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen Haftung der Wohnungseigentümer für Grundbesitzabgaben nicht

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 WEG

 

Das Problem

  1. Die Stadt Essen teilt einem Wohnungseigentümer mit, für die Veranlagungsjahre 2010, 2011 und 2012 seien Benutzungsgebühren in Höhe von insgesamt 26.859,93 EUR rückständig. Hinzu kämen Mahngebühren in Höhe von 458 EUR und Säumniszuschläge in Höhe von 2.847,12 EUR. Der Verwalter habe entsprechende Zahlungen nicht geleistet. Sie prüfe, ob der Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner zur Zahlung der Rückstände in Anspruch genommen werden könne.
  2. Später weist die Stadt darauf hin, dass von einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme zunächst Abstand genommen werde, sollte der Wohnungseigentümer 1.618,20 EUR zahlen. Eine entsprechende Zahlung leistet der Wohnungseigentümer.
  3. Später zieht die Stadt den Wohnungseigentümer (neben anderen Wohnungseigentümern) als Gesamtschuldner für das Veranlagungsjahr 2013 zu den Benutzungsgebühren für Abwasser in Höhe von 6.396,50 EUR, Straßenreinigung in Höhe von 2.119,92 EUR und Abfallentsorgung in Höhe von 10.862,44 EUR, insgesamt 19.918,86 EUR, heran.
  4. Hiergegen wendet sich der Wohnungseigentümer. In der Vergangenheit seien die Benutzungsgebührenbescheide jeweils nur dem Verwalter zugestellt worden. Gehe man davon aus, dass die Stadt nun Zustellungen gegenüber jedem einzelnen Wohnungseigentümer ausgebracht habe und gehe man hypothetisch weiter davon aus, dass jeder Wohnungseigentümer der Zahlungsaufforderung Folge leiste, erhielte sie ein Vielfaches des geschuldeten Gebührenaufkommens. Es stelle sich die Frage, warum er nicht – wie in der Vergangenheit – nur anteilig entsprechend seines Miteigentumsanteils in Anspruch genommen werde.
 

Entscheidung

  1. Die Anfechtungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sei § 6 KAG NRW in Verbindung mit der Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt Essen (Straßenreinigungs- und Gebührensatzung). Gebührenpflichtig sei nach den satzungsrechtlichen Regelungen der Eigentümer des erschlossenen/angeschlossenen Grundstücks; mehrere Gebührenpflichtige seien Gesamtschuldner.
  2. Unabhängig von diesen Satzungsregelungen ergäbe sich die Gesamtschuld mehrerer Miteigentümer aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 b) KAG NRW in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 AO und damit unmittelbar aus dem Gesetz. Die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hindere die Geltung einer im kommunalen Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen Haftung der Wohnungseigentümer für Grundbesitzabgaben nicht. Die einzelnen Wohnungseigentümer seien Miteigentümer des gemeinsamen Grundstücks. Als Gesamtschuldner schulde jeder Wohnungseigentümer die gesamte Leistung, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 44 Abs. 1 Satz 2 AO. Dem Wesen der Gesamtschuld entsprechend stehe es allerdings im Ermessen des Gläubigers, die Leistung ganz oder auch nur zu einem Teil von dem einen oder dem anderen oder von allen Schuldnern zu fordern. Die Beklagte sei daher grundsätzlich nicht gehindert, den klagenden Wohnungseigentümer in Höhe des auf das Grundstück entfallenden vollen Gebührenbetrags heranzuziehen.
  3. Der Festsetzung stehe auch § 10 Abs. 8 WEG nicht entgegen. Diese Regelung zur teilschuldnerischen Außenhaftung des einzelnen Wohnungseigentümers sei nicht einschlägig. Denn es handle sich gerade nicht um eine Haftung der Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei nicht Schuldnerin der streitigen Verbindlichkeiten. Es gehe vielmehr um eine Begleichung einer in der Person der Kläger als gebührenpflichtigen Miteigentümern entstandenen eigenen Gebührenschuld.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Ebenso entschied das VG Karlsruhe, Urteil v. 30.1.2014, 2 K 2233/13. Beide Gerichte stehen für die herrschende Meinung. Diese geht davon aus, dass der einzelne Wohnungseigentümer Gebührenschuldner für das gemeinschaftliche Eigentum ist. Etwas anderes soll nur gelten, wenn die Leistung der Daseinsfürsorge vertraglich ausgestaltet ist. Vertragspartner der Gemeinde oder Kommune wäre nämlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Für deren Verbindlichkeiten haftet ein Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG "pro rata". Er haftet aber nicht – wie im Fall – voll umfänglich für die gesamten Gebühren.
  2. Erfüllt der Wohnungseigentümer die Abgabenforderung aus eigenen Mitteln, steht ihm gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Erstattungsanspruch zu. Ein Erstattungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Wohnungseigentümer die Forderung aus dem Leistungsbescheid begleicht, ohne dies mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuvor abzustimmen. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids berechtigen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht zu einer Zahlungsverweigerung, wenn der Woh...

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