Aktuelle Entscheidung des BGH zu Corona: Es kommt darauf an...

Sehr umstritten und unterschiedlich geurteilt wurde über die Frage, ob ein Mieter wegen behördlich angeordneter Schließung seines Geschäfts (z. B. wegen "Corona") die Miete mindern darf, und wenn ja, in welcher Höhe.

Der BGH hat sich aktuell in einem Urteil mit dieser Frage befasst und zum einen Klarheit geschaffen, zum anderen aber auch weitere Rechtsunsicherheit produziert.[1]

Zugunsten der Vermieter stellte der BGH klar, dass eine staatlich angeordnete Schließung keinen Mangel der Mietsache darstellt.

Ein "normales" Betriebsrisiko hat der Mieter zwar zu tragen. So kann aber eine Pandemie mit extremen Eingriffen in das soziale Miteinander nicht bewertet werden. Dies ist vielmehr ein Risiko, das nicht vorauszusehen war. Nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB ist der Vertrag daher anzupassen, weil davon auszugehen ist, dass das erfolgt wäre, wenn die Parteien dies bedacht hätten. Dann hätten sie dieses Risiko, für das keiner der Mietvertragsparteien etwas kann, nicht einer Seite allein aufgebürdet.

Es hätte hier vielleicht nahegelegen, das Risiko hälftig zuzuweisen und eine 50 %-ige Minderung zuzulassen. So hatte auch die Vorinstanz, das OLG Dresden, entschieden.

Dem ist der BGH nicht gefolgt. Dies war ihm zu pauschal. Der Fall wurde zurückverwiesen mit der Auflage, die Umstände des konkreten Einzelfalls genauer zu prüfen und dann neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe hier eine Minderung gerechtfertigt ist:

Dabei sind natürlich auch die Interessen des Vermieters in die Abwägung einzubeziehen.

Auf Mieterseite sind einzubeziehen:

  • Welche finanziellen Nachteile sind ihm durch die Schließung im konkreten Mietobjekt entstanden?
  • Konnten diese Verluste vom Mieter vermieden/gemindert werden?
  • Wurden Verluste gemindert durch staatliche Zuschüsse und/oder eigene Versicherungen?

Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Letztlich ist der Einzelfall entscheidend und eine Prognose über das Ergebnis letztlich kaum möglich. Der Verlust muss nicht existenzgefährdend sein.

Bei der Geschäftsraummiete können die Parteien – anders als bei der Wohnraummiete – das Minderungsrecht beschränken oder ausschließen. Solche Regelungen können auch in einem Formularvertrag getroffen werden. Im Einzelnen gilt:

2.6.1 Minderungsausschlussklauseln

Es kann vereinbart werden, dass der Mieter im Fall eines Mangels nicht zur Kürzung der Miete berechtigt ist; dem Mieter muss allerdings die Möglichkeit verbleiben, eine überzahlte Miete nach § 812 BGB zurückzufordern.[1] Der vollständige Ausschluss der Rechte aus § 536 BGB ist dagegen nicht möglich, weil das Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zu den tragenden Grundgedanken des Schuldrechts zählt. Die vertragliche Aufhebung dieses Äquivalenzprinzips ist deshalb als unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 2 BGB zu bewerten.[2]

2.6.2 Mehrdeutige Vertragsklauseln

Ist eine Vertragsklausel unklar, so gilt die Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB. Danach sind mehrdeutige Klauseln nach der kundenfeindlichsten Variante auszulegen. Diese Regelung gilt auch im Individualprozess.

 
Praxis-Beispiel

Unwirksame Klauselformulierungen

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der BGH die Klausel: "Der Mieter kann gegenüber den Ansprüchen der Vermieterin auf Zahlung des Mietzinses und der Nebenkosten kein Minderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend machen, es sei denn, die Vermieterin hat die Mängel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten" für unwirksam erachtet.[1]

Gleiches gilt für eine Klausel, wonach "eine Minderung der Miete … ausgeschlossen (ist), wenn durch Umstände, die der Vermieter nicht zu vertreten hat (z. B. Verkehrsumleitung, Straßensperrungen, Bauarbeiten in der Nachbarschaft), die gewerbliche Nutzung der Räume beeinträchtigt wird".[2]

Ein formularvertraglicher Minderungsausschluss ist also nur wirksam, wenn sich aus der Klausel mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass das Recht des Mieters zur Rückforderung der überzahlten Miete aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung unberührt bleibt. Die frühere Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, wonach Minderungsausschlussklauseln der hier fraglichen Art als wirksam angesehen wurden[3], ist durch die Rechtsprechung des BGH überholt.

[3] OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995 S. 850; ZMR 1999 S. 23; OLG Koblenz, Urteil v. 8.12.2005, 2 U 163/05; ebenso: Eisenschmid, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 536 BGB Rn. 427; Emmerich, in Staudinger (2006), § 536 BGB Rn. 73; Kraemer, in Bub/Treier, Kap. III B Rn. 1373.

2.6.3 Mietgarantieklauseln

Sog. Mietgarantieklauseln, nach denen sowohl das Minderungsrecht als auch der Rückforderungsanspruch ausgeschlossen wird, sind unwirksam.[1]

 
Praxi...

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