Zusammenfassung
In der letzten Ausgabe des Gesetzgebungsreports (ZAP 4/2015, S. 171 ff.) war ein Überblick über die Aktivitäten des Gesetzgebers in den ersten 15 Monaten der 18. Legislaturperiode gegeben worden. Auch im vergangenen Jahr hat die schwarz-rote Bundesregierung wieder fleißig die im Koalitionsvertrag verabredete Agenda abgearbeitet; darunter befinden sich insbesondere die rechtspolitisch umstrittenen Gesetzesvorhaben zur Frauenquote und zur Tarifeinheit. Hinzu gekommen sind Reformprojekte, die ihren Ursprung in gerichtlichen Entscheidungen haben; insoweit ist vor allem das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte zu nennen. Im Folgenden werden in bewährter Form die verkündeten Gesetze und laufenden Vorhaben vorgestellt, die aus anwaltlicher Sicht besonders bedeutsam sind (Stand: 7.3.2016). Nicht mehr Gegenstand dieses Reports sind dagegen die Gesetze, die bereits 2014 verabschiedet, aber erst im letzten Jahr in Kraft getreten sind.
I. Verkündete Gesetze
1. Geschlechterquote
In der Öffentlichkeit breit diskutiert wurde das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24.4.2015 (BGBl I, S. 642; zur Entstehungsgeschichte des Gesetzes Seibert NZG 2016, 16 ff.; zu den Regelungen im Einzelnen Stüber DStR 2015, 947 ff.) und das darin auf den Weg gebrachte Vorhaben, den Frauenanteil in den Führungsgremien von Wirtschaft und Verwaltung zu erhöhen und die tatsächliche Chancengleichheit von Frauen und Männern zu gewährleisten.
Die über 100 börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihr Aufsichtsrat zu mindestens 30 % aus Frauen und zu mindestens 30 % aus Männern besteht (§ 96 Abs. 2 AktG). Diese Mindestquote gilt grundsätzlich für den gesamten Aufsichtsrat als Organ; der Gesamterfüllung kann jedoch von der Anteilseigner- oder der Arbeitnehmerseite vor jeder Wahl widersprochen werden mit der Folge, dass dann jede Bank die Mindestquote für diese Wahl gesondert zu erfüllen hat (sog. Getrennterfüllung). Diese Quotenregelung ist bei allen Aufsichtsratswahlen seit Jahresbeginn zu beachten. Bei Verstößen ist die quotenwidrige Wahl nichtig, die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Stühle bleiben damit leer.
Für die etwa 3.500 Unternehmen, die entweder nur börsennotiert oder nur mitbestimmungspflichtig sind, gibt es dagegen keine fixe Geschlechterquote für den Aufsichtsrat. Diese Unternehmen mussten sich aber bis zum 30.9.2015 flexible Frauenquoten für den Aufsichtsrat selbst verordnen und künftig über die Fortschritte berichten (§ 111 Abs. 5 AktG). Das Gleiche gilt auch für den Vorstand sowie das obere und mittlere Management (§§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG). Eine Mindestzielgröße wird zwar nicht vorgegeben, das freiwillig vereinbarte Ziel darf aber nicht hinter dem tatsächlichen Status quo zurückbleiben, wenn dieser unter einem Frauenanteil von 30 % liegt. Das Gesetz sieht im Fall der Nichterreichung der gesteckten Ziele keine scharfen Sanktionen wie die Nichtigkeit der Aufsichtsratswahl vor, sondern will über die Berichtspflichten zu wenig ambitionierte Ziele oder ihre Missachtung durch eine negative Öffentlichkeitswirkung abstrafen.
Auch für den öffentlichen Dienst des Bundes wurden entsprechende Regelungen eingeführt. So ist die Bundesverwaltung verpflichtet, sich für jede Führungsebene konkrete Ziele zur Erhöhung des Frauen- oder Männeranteils zu setzen. Bei der Besetzung von Aufsichtsratsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen, greift inzwischen ebenfalls eine Quote von 30 % (bezogen auf die vom Bund zu besetzenden Sitze), für 2018 ist es sogar Ziel, diesen Anteil auf 50 % zu erhöhen.
2. Tarifeinheit
In Zeiten, in denen Streiks bei Bahn, Flugverkehr und Kindertagesstätten auf der Tagesordnung stehen, hat das mit Wirkung vom 10.7.2015 in Kraft getretene Gesetz zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz) vom 3.7.2015 (BGBl I, S. 1130) besondere Aufmerksamkeit erfahren (zu Einzelheiten Fischinger/Monsch NJW 2015, 2290 ff.; Maaß ZAP F. 17, S. 1183 ff.). Mit dem Gesetz wurde der Grundsatz der Tarifeinheit, der früher lange Zeit auch von der Rechtsprechung vertreten, dann aber vom BAG 2010 aufgegeben worden war (BAGE 135, 80 = NZA 2010, 1068), in neuer Form gesetzlich verankert. Erklärtes Ziel ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Das Gesetz findet nur Anwendung, wenn zwei Gewerkschaften in ein- und demselben Betrieb dieselben Arbeitnehmergruppen vertreten und für diese unterschiedliche tarifliche Regelungen treffen wollen. Die auf diese Weise entstehende Tarifpluralität wird nach dem neuen § 4a TVG mithilfe des betriebsbezogenen Mehrheitsprinzips aufgelöst; vorgesehen ist, dass in dem Umfang, in dem sich in einem Betrieb (nicht: Unternehmen) die Tarifverträge überschneiden, nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft Anwendung findet, die im Betrieb über die meisten Mitglieder verfügt. Über eine Änderung des ArbGG wurden die Arbeitsgerichte ermächtigt, im Beschlussverfahren über die Frage des Anw...