Leitsatz
Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens wurde die elterliche Sorge für ein gemeinsames minderjähriges Kind der Eheleute der Kindesmutter übertragen. Ein nachfolgender Sorgerechtsantrag des Kindesvaters wurde zurückgewiesen. Ende Dezember 2004 wechselte das Kind in den Haushalt seines Vaters, wo es seither lebte.
Im Januar 2005 begehrte das von dem Kindesvater vertretene Kind - im Folgenden Antragsteller genannt - von seiner Mutter Zahlung von Barunterhalt ab Dezember 2004. Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage durch Prozessurteil (unechtes Versäumnisurteil) vom 23.11.2005 wegen fehlender Vertretungsmacht des Kindesvaters abgewiesen. Hiergegen legte er Berufung ein. Mit Verfügung vom 12.1.2006 regte das OLG die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft an und setzte dem Antragsteller zur Beseitigung des Mangels der Prozessfähigkeit eine - später ausgesetzte - Frist.
Mit Beschluss vom 22.2.2006 hat das AG ausgesprochen, dass eine Ergänzungspflegschaft nicht angeordnet werde mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 1909 BGB und unter Hinweis auf die Entscheidungskompetenz der allein sorgeberechtigten Kindesmutter über die Art der Unterhaltsgewährung.
Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller Beschwerde ein.
Sein Rechtsmittel hatte in der Sache Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, die Kindesmutter (Antragsgegnerin) sei im Rahmen des von dem Antragsteller anhängig gemachten Unterhaltsverfahrens verhindert, die elterliche Sorge auszuüben (§ 1693 BGB).
Allerdings sei sie die alleinige gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Antragstellers, daran ändere im Grundsatz auch ein Wechsel in die Obhut des anderen nicht sorgeberechtigten Elternteils nichts. Eine Vertretungsbefugnis des Kindesvaters gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB setze allerdings die gemeinsame elterliche Sorge voraus, ein Fall der Notvertretung gem. § 1629 Abs. 1 S. 4 BGB liege nicht vor.
Im Rahmen des von dem Antragsteller gerichtlich geltend gemachten Unterhaltsanspruchs sei die Antragsgegnerin seine Gegnerin und stünde damit einerseits als Beklagte und andererseits als gesetzliche Vertreterin des klagenden Kindes auf beiden Seiten des Rechtsstreits. Dieser offenkundige Interessenkonflikt schließe bereits von Gesetzes wegen die Vertretungsbefugnis der Antragsgegnerin aus (vgl. BGH v. 11.12.1995 - II ZR 220/94, GmbHR 1996, 219 = MDR 1996, 593 = NJW 1996, 658; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 181 Rz. 5; Habermeier in Bamberger/Roth, BGB, 1. Aufl. 2003, § 181 Rz. 16).
Zur Behebung des Mangels der gesetzlichen Vertretung im Unterhaltsprozess bedürfe es der Bestellung eines Ergänzungspflegers, für die der Antragsteller zu sorgen habe.
Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin könne vorliegend auch ein Bedürfnis für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nicht verneint werden, da keinesfalls davon ausgegangen werden könne, dass die Unterhaltsklage des Antragstellers völlig aussichtslos oder gar mutwillig erhoben worden sei.
Allerdings habe die Antragsgegnerin dem Umzug des Antragstellers in den Haushalt seines Vaters ausdrücklich widersprochen und dem klagenden Kind nach wie vor "Wohnung, Unterhalt und Betreuung", also die Rückkehr in ihren Haushalt und die Inanspruchnahme von Naturalunterhalt angeboten. Damit könnte sie das ihr als Inhaberin des alleinigen Sorgerechts grundsätzlich auch allein zustehende Unterhaltsbestimmungsrecht nach § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB wirksam mit der Folge ausgeübt haben, dass der Anspruch auf Barunterhalt entfiele.
Andererseits habe sie den Wechsel des Kindes in den Haushalt des Kindesvaters letztendlich hingenommen und insbesondere auf eine Durchsetzung ihres Aufenthaltsbestimmungsrechts bislang verzichtet. Ob sich in diesem Fall im Hinblick auf die Sonderregelung in § 1612 Abs. 2 S. 3 BGB im Ergebnis die tatsächliche Unterhaltsbestimmung des nicht sorgeberechtigten Kindesvaters durchsetze, bedürfe ggf. im Unterhaltsverfahren der näheren Erörterung. In dem zu entscheidenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit dürfe die streitige und bislang ungeklärte Rechtsfrage hingegen nicht entschieden werden.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Beschluss vom 03.07.2006, 11 UF 164/06