Leitsatz

Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung zu baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums (schriftliche Einwilligung des Verwalters; Anzeigepflicht an den Verwalter; ersatzweise Herbeiführung eines Mehrheitsbeschlusses)

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1, 2 WEG, § 15 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 1004 BGB

 

Kommentar

1. Ein Eigentümer hatte seinen Balkon mit einer Holzkonstruktion nebst Glasfenster und Teilüberdachung durch Metallrahmen mit Glasfüllung versehen. Die Mehrheit der Eigentümer stimmte in einer Eigentümerversammlung für das Verbleiben dieser baulichen Veränderungsmaßnahme (Pergola), ein Eigentümer (der Antragsteller) stimmte dagegen, d. h. für einen Abbau. Der letztgenannte Eigentümer stellte dann Antrag auf Beseitigung der vorgenommenen Balkonänderungsmaßnahmen und beantragte hilfsweise, den Mehrheitsbeschluss für unwirksam zu erklären.

In der Teilungserklärung war vereinbart, dass "Veränderungen . . . der schriftlichen Einwilligung des Verwalters bedürften und eine wesentliche bauliche Veränderung innerhalb einer Wohnung stets vor ihrer Ausführung dem Verwalter anzuzeigen sei". Weiter war dann noch geregelt und vereinbart, dass "der einzelne Eigentümer einen Mehrheitsbeschluss herbeiführen könne, wenn der Verwalter die erforderliche Einwilligung nicht oder nur unter bestimmten Auflagen oder widerruflich erteile oder die Einwilligung überhaupt widerrufe".

Der Senat stellte fest, dass in einem solchen Fall getroffener Vereinbarungen zu baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums regelmäßig noch nicht§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG wirksam abbedungen sei.

2. Der Mehrheitsbeschluss musste deshalb für ungültig erklärt und der Antragsgegner zur Beseitigung der Pergola verpflichtet werden. In richtiger, nächstliegender Auslegung einer solchen Vereinbarung dürfe ein Verwalter nicht etwa gestaltend tätig werden, soweit eine bauliche Veränderung den nach § 22 Abs. 1 S. 2 WEG zustimmungsfreien Bereich überschreite. Vielmehr sollten durch die hier getroffene Vereinbarung Interessen der anderen Eigentümer über das sonst gegebene Maß hinaus zusätzlich gegen "Nacht- und Nebelaktionen" geschützt werden, wie sie sonst unter Berufung auf BGHZ 73, 196 = NJW 1979, 817 vorkommen könnten (zu erg.: "Ein Beschluss für die Gestattung nachteiliger baulicher Veränderungen ist weder erforderlich noch ausreichend"). Vorliegend seien Informationsrechte des Verwalters vereinbart, die ihm die Prüfungsmöglichkeit erlaubten, ob evtl. unzulässige bauliche Veränderungen bevorstünden, um hierüber eine Entscheidung der Gemeinschaft einzuholen; der ersten Vereinbarung sei jedoch nicht zu entnehmen, dass der Verwalter etwa stellvertretend für die Gemeinschaft und zulasten aller einzelnen Eigentümer die gesetzlich erforderliche Zustimmung zu baulichen Veränderungen geben könnte. Eine Mehrheitsentscheidung der Eigentümer sei hier nicht abbedungen; auch sei die Kompetenz des Verwalters in Bezug auf Zustimmung zu baulichen Veränderungen nicht erweitert worden (durch diese Verfahrensregelung).

Die Zulässigkeit baulicher Veränderungen bereits über Mehrheitsbeschlüsse (also ein Abbedingen des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG) bedürfe einer eindeutigen Regelung in der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung (so z. B. vereinbart nach Sachverhalt der Entscheidung des BayObLG, NJW-RR 1990, 209). Vorliegend sei § 22 Abs. 1 WEG nicht außer Kraft gesetzt worden, sodass auf fristgerecht erfolgte Beschlussfanfechtung der Genehmigungsbeschluss aufzuheben und Beseitigungsverpflichtung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 15 Abs. 3 WEG auszusprechen war.

 

Link zur Entscheidung

( KG Berlin, Beschluss vom 01.07.1991, 24 W 2051/91)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

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