Entscheidungsstichwort (Thema)

zur erweiterten Zulässigkeit baulicher Veränderungen. Wohnungseigentumssache

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn die Teilungserklärung bauliche Veränderungen von einer schriftlichen Einwilligung des Verwalters abhängig macht und bei Versagung die Herbeiführung eines Mehrheitsbeschlusses der Eigentümer vorsieht, ist damit regelmäßig noch nicht § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG wirksam abbedungen.

 

Normenkette

WEG § 22 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 70 II 230/89)

LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 302/90)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 25.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragsteller haben die Dachgeschoßwohnung, der Antragsgegner die Wohnung im ersten Stock mit Balkon und die weiteren Beteiligten die Erdgeschoßwohnung inne. Anfang Februar 1989 versah der Antragsgegner seinen Balkon mit einer Holzkonstruktion nebst Glasfenster an der linken Seite und einer Teilüberdachung durch einen Metallrahmen mit Glasfüllung. Durch Eigentümerbeschluß vom 1. Juni 1989 zu TOP 9 stimmten die Erdgeschoßeigentümer und der Antragsgegner mit je einer Stimme für das Verbleiben der Pergola, während die Antragsteller mit einer Stimme für den Abbau stimmten.

Mit dem am 14. Juni 1989 eingegangenen Antrag haben die Antragsteller von dem Antragsgegner Beseitigung der auf dessen Balkon angebrachten Holzkonstruktion einschließlich Teil Überdachung und Seitenfenster verlangt sowie hilfsweise beantragt, den Eigentümerbeschluß vom 1. Juni 1989 zu TOP 9 für unwirksam zu erklären.

In der die Wohnanlage betreffenden Teilungserklärung vom 30. August 1978 heißt es in Teil I Abschnitt B § 3 Abs. 3:

„Veränderungen an und in der Wohnanlage, z. B. Um-, An- und Einbauten, bedürfen, soweit dadurch die im gemeinschaftlichen Eigentum oder die im Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers stehenden Bestandteile der Wohnanlage berührt werden, der schriftlichen Einwilligung des Verwalters. Eine wesentliche bauliche Veränderung innerhalb einer Wohnung ist stets vor ihrer Ausführung dem Verwalter anzuzeigen.”

In dem folgenden Absatz 4 heißt es:

„Erteilt der Verwalter die nach den Absätzen 2 bis 3 erforderliche Einwilligung nicht oder nur unter bestimmten Auflagen oder widerruft er eine widerrufliche Einwilligung, so kann der einzelne Wohnungseigentümer einen Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer nach § 25 WEG herbeiführen.”

In der Eigentümerversammlung vom 29. März 1990 beschlossen die Beteiligten zu TOP 4 u. a., daß der Außenanstrich der Pergola in Auftrag gegeben werden solle, jedoch auf Kosten des Antragsgegners. Mit Beschluß vom 17. Juli 1990 hat das Amtsgericht die Anträge der Antragsteller zurückgewiesen. Auf die Erstbeschwerde der Antragsteller hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluß unter Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung den Eigentümerbeschluß vom 1. Juni 1989 zu TOP 9 für unwirksam erklärt und den Antragsgegner verpflichtet, die auf seinem Balkon angebrachte Holzkonstruktion einschließlich Teilüberdachung und Fenstereinbau zu entfernen. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos.

Die gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige weitere sofortige Beschwerde ist sachlich nicht gerechtfertigt. Der angefochtene Beschluß ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei (§ 27 FGG i. V. m. § 563 ZPO). Allerdings ist entgegen der Auffassung des Landgerichts die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses vom 1. Juni 1989 bei gebotener Auslegung, die das Rechtsbeschwerdegericht in eigener Befugnis vorzunehmen hat, bereits auch in der am 28. August 1990 eingelegten Erstbeschwerde enthalten, zumal diese Eigentümerbeschlußanfechtung bereits in dem Anfechtungsantrag vom 14. Juni 1989 ausdrücklich, wenn auch hilfsweise, enthalten war. Die vom Landgericht angenommene spätere Rechtsmittelerweiterung in zweiter Instanz würde angesichts der Besonderheiten des Beschlußanfechtungsverfahrens auf rechtliche Bedenken stoßen. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 13. März 1991 – 24 W 4715/90 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) ausgeführt hat, dient die Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG als Ausschlußfrist der Rechtssicherheit (vgl. BGHZ 54, 65 = NJW 1970, 1316). Sie kann dieser Aufgabe nur gerecht werden, wenn der Richter in seiner Entscheidungsbefugnis entsprechend § 308 ZPO auf die innerhalb der Antragsfrist gestellten Sachanträge beschränkt ist (vgl. BayObLG NJW 1974, 1910). Was für die Antragsfrist in erster Instanz bedeutsam ist, muß gleichermaßen für die Beschwerdefrist in zweiter Instanz gelten. Ein nicht ausdrücklich oder schlüssig weiterverfolgter Beschlußanfechtungsantrag setzt daher dem Beschlußanfechtungsverfahren in Wohnungseigentumssachen Grenzen. Nicht rechtzeitig angefochtene Eigentümerbeschlüsse werden bestandskräftig. Was für die Verfahrenseinleitung gilt, hat gleichermaßen für die Rechtsmittelinstanzen Bedeutun...

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