Leitsatz

  • Vereinbarte Öffnungsklausel steht einem Zustimmungsver-pflichtungsantrag zur Zweckbestimmungsänderung nicht entgegen
  • Wurde ein Antrag auf Unterlassung der Nutzung von Dachgeschossräumen als Wohnraum bereits rechtskräftig abgewiesen, ist damit zugleich die positive Feststellung verbunden, dass die Räume als Wohnraum benutzt werden dürfen
  • Aus Treuepflicht unter den Eigentümern kann im Einzelfall ein Anspruch auf Zustimmung zur Abänderung der Gemeinschaftsordnung in verdinglichter Form bestehen
 

Normenkette

§ 10 WEG, § 15 Abs. 1 WEG; § 242 BGB; § 265 ZPO, § 322 ZPO

 

Kommentar

1. In einer Gemeinschaftsordnung war zur Änderung derselben eine Öffnungsklausel vereinbart (u.a. "Änderungsmöglichkeit vorbehaltlich zwingender gesetzlicher Bestimmungen mit ¾-Mehrheit aller Eigentümer und aller Miteigentumsanteile ..."). Weiterhin wurde in Erstkaufverträgen dem Verkäufer von Käufern Vollmacht erteilt, u.a. auch Dachgeschossräume ausbauen und die hierfür erforderlichen Erklärungen, Bewilligungen und Anträge stellen sowie die Teilungserklärung entsprechend ändern und deren Vollzug im Grundbuch veranlassen zu dürfen.

Antragstellerseits wurde hier auch deren Wohnungseigentum mit Sondereigentum im Dachgeschoss über eine Wendeltreppe verbunden und die Dachräumlichkeit als Schlaf- und Badezimmer genutzt. Verbotsanträge wurden hier bereits mit rechtskräftigem Beschluss des AG München vom 14.05.1997 abgewiesen (vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 29.05.1998, NZM 1999, 33).

Im vorliegenden Verfahren ging es um den Verpflichtungsantrag der Antragsteller, auch noch den Antragsgegner als letzten Eigentümer zu verpflichten, die zur grundbuchrechtlichen Änderung erforderlichen notariellen Erklärungen abzugeben, die die restlichen Eigentümer bereits erteilt hatten. Der Antrag hatte in allen Instanzen Erfolg.

2. Von der hier vereinbarten Öffnungsklausel hatten die Beteiligten keinen Gebrauch gemacht; allerdings wollten alle Eigentümer durch übereinstimmende Erklärungen die Zweckänderung grundbuchrechtlich herbeiführen. Bisher war der angestrebte Kollektivvertrag (Bärmann/Pick, WEG, 8. Aufl. § 10 Rn 54) mangels Zustimmungserklärung der Antragsgegnerseite oder deren Fiktion durch Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (§ 894 ZPO) nicht zustande gekommen.

Die hier vereinbarte Öffnungsklausel (von der Rechtsprechung anerkannt, vgl. BGHZ 95, 137) lässt eine Änderung von Vereinbarungen durch Mehrheitsbeschluss zu, wenn sachliche Gründe vorliegen und einzelne Eigentümer aufgrund der Neuregelung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden. Im Kernbereich des Wohnungseigentums werden jedoch Änderungen grundsätzlich nur einstimmig für möglich gehalten (OLG Köln, ZMR 1998, 373; Staudinger/Kreuzer, § 10 WEG, Rn 92). Der Senat hat auch in einem Beschluss vom 11.04.1990 (NJW-RR 1990, 978) die Zweckbestimmung eines Wohnungs- oder Teileigentums als durch Mehrheitsbeschluss abänderbar angesehen, wenn die Gemeinschaftsordnung dies vorsieht. Der Senat hält es vorliegend jedoch nicht für sachgerecht, die Antragsteller auf die Möglichkeit einer Abänderung durch Mehrheitsentscheidung zu verweisen, insbesondere in schwieriger Rechtslage im Einzelfall, und wenn erforderliche Erklärungen aller Eigentümer gem. §§ 19 und 29 GBO gefordert sind.

Vorliegend wurde im Kaufvertrag käuferseits dem Bauträger gegenüber Zustimmung zum Ausbau des Dachgeschosses erklärt, woran sich auch die übrigen Eigentümer festhalten lassen müssen (vgl. BayObLG, NZM 1999, 33). Aus einer Duldungsverpflichtung zur Nutzung solcher Räume zu Wohnzwecken folgt allerdings nicht ohne weiteres ein Anspruch, an einer Änderung der Teilungserklärung hinsichtlich der Zweckbestimmung des Dachgeschosses mitzuwirken. Auch lässt eine solche kaufvertragliche Vollmacht nicht unbedingt den rechtlichen Schluss auf einen subjektiven Anspruch der Antragsteller unmittelbar erkennen, da solche Vollmachten inhaltlich und zeitlich beschränkt sind (vgl. Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rn 33). Jedenfalls nach Fertigstellung und Verkauf sämtlicher Einheiten erlischt eine derartige Vollmacht. Ein Eigentümer kann spätestens ab diesem Zeitpunkt sicher sein, dass sein Eigentum nicht mehr durch nachträgliche Änderungen von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ohne seine persönliche Mitwirkung beeinträchtigt wird.

3. Ein Anspruch auf Abänderung der Teilungserklärung lässt sich jedoch in Ausnahmefällen auch aus dem gemeinschaftlichen Sonderverhältnis der Wohnungseigentümer (§ 10 Abs. 1 WEG) herleiten, welches Schutz-, Treue- und Mitwirkungspflichten nach § 242 BGB begründet (BayObLG, ZMR 1995, 495/497; NZM 1999, 81/82; LG Wuppertal, NJW-RR 1986, 1074; Müller (Rn 35). Dieser besonders im Hinblick auf den Kostenverteilungsschlüssel aktuelle Grundsatz kann auch im Zusammenhang mit dem Zustand oder dem Betrieb von baulichen Anlagen bedeutsam werden (BayObLG, WE 1989, 109; ZMR 1995, 497). Ein Anspruch auf Abänderung ist jedoch nicht schon bei Unbilligkeit, sondern...

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