Leitsatz
In einem Unterhaltsrechtsstreit begehrte der Vater zweier minderjähriger Kinder die Abänderung eines im Jahre 2000 zum Kindesunterhalt geschlossenen Vergleichs ab November 2000 im Hinblick darauf, dass er seit dem Herbst 2000 nur noch eine Berufsunfähigkeitsrente bezog. Es ging in dem Verfahren primär um die Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Vaters.
Sachverhalt
Der Kläger ist Vater der am 22.4.1987 geborenen Beklagten zu 1) und der am 8.2.1985 geborenen Beklagten zu 2).
Im Jahre 2000 wurde von den Parteien vor dem AG ein Vergleich über den vom ihm zu zahlenden Kindesunterhalt geschlossen.
Der Kläger begehrte mit der von ihm erhobenen Abänderungsklage Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab November 2000. Dies im Hinblick darauf, dass er seit dem Herbst 2000 nur noch Berufsunfähigkeitsrente bezog. Das Haus, in dem er wohnte, hatte er im November 2000 schenkungsweise seinem Sohn überlassen, der ihm in einem notariellen Vertrag ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt hatte, das auch dinglich gesichert war.
Erstinstanzlich wurde der Vergleich aus dem Monat März 2000 dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagten ab November 2000 keinen Unterhalt mehr zu zahlen hatte. Zur Begründung wurde die Verwirkung der Unterhaltsansprüche angeführt. Die lange Zeitdauer bis zum Beginn der Zwangsvollstreckung aus dem streitgegenständlichen Titel lasse den Eintritt des sog. Zeitmoments ohne weiteres zu. Auch das Umstandsmoment sei erfüllt.
Die Beklagten haben das Urteil I. Instanz mit der Berufung angegriffen. Die Beklagte zu 2) hat im Termin am 2.2.2006 ihre Berufung zurückgenommen.
Entscheidung
Das OLG hielt das Rechtsmittel der Beklagten zu 1) für teilweise begründet.
Das Vorbringen des Klägers reiche für die Feststellung, die Grundlagen des Vergleichs aus dem Monat März 2000 hätten sich wesentlich geändert, nicht aus. Dem Protokoll des Vorprozesses war zu entnehmen, dass die Kindeseltern bei Vergleichsabschluss davon ausgegangen waren, dass der Kläger bei einem anrechenbaren Nettoeinkommen zwischen 2.700,00 DM und 3.100,00 DM und einer Höherstufung um eine Gruppe aufgrund zwei Unterhaltspflichten in die Thüringer Tabelle, Stand 1.7.1999, Gruppe 4, 3. Altersstufe einzuordnen sei.
Soweit der Kläger nunmehr darauf abstelle, er beziehe eine Rente wegen Arbeitsunfähigkeit i.H.v. monatlich 573,67 EUR, sei dies nicht ausreichend, um darzulegen, dass ein Hinzuverdienst durch leichte Tätigkeiten ihm nicht möglich sei.
Der Kläger sei aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten zu 1) während deren Minderjährigkeit gem. § 1603 Abs. 2 BGB zu einer gesteigerten Ausnutzung seiner Arbeitskraft verpflichtet. Seine Leistungsfähigkeit werde nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er bei gutem Willen durch zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könne (BGH v. 22.10.1997 - XII ZR 278/95, FamRZ 1998, 357 [359]).
Allein der Umstand, dass der Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalte, reiche nicht aus, um unterhaltsrechtlich seine Leistungsfähigkeit lediglich nach seinem Renteneinkommen zu bestimmen. Der Bezug einer Rente gebiete nicht zwingend den Schluss, dass der Rentenbezieher nicht in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auszuüben (OLG Düsseldorf v. 21.2.2001 - 9 WF 12/01, FamRZ 2001, 1477). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den gesetzlichen Regelungen der Berufsunfähigkeitsrente. Auch aus dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 9.3.2001 und den dort genannten Behinderungen ergebe sich nicht, dass der Kläger wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande sei, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben.
Eine Verwirkung des Anspruchs der Beklagten auf rückständigen Unterhalt komme nicht in Betracht. Neben dem "Zeitmoment" komme es für die Verwirkung auf das sog. "Umstandsmoment" an. Im vorliegenden Fall bestehe die Besonderheit, dass die Beklagte erst am 22.4.2005 volljährig geworden sei. Die Klageschrift datiere vom 4.10.2004. Da die Beklagte zu 1) erst während des laufenden Verfahrens volljährig geworden ist, habe sie nicht eine Frist von mehr als einem Jahr verstreichen lassen, ohne ihren Unterhaltsanspruch durchzusetzen. Das Zeitmoment seit damit nicht erfüllt.
Link zur Entscheidung
Thüringer OLG, Urteil vom 23.02.2006, 1 UF 218/05