Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesteigerte Unterhaltspflicht eines Unterhaltsschuldners, der Berufsunfähigkeitsrente bezieht gegenüber minderjährigen Kindern
Leitsatz (amtlich)
Auch der Bezieher einer Berufsunfähigkeitsrente hat ggü. seinen minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Seine Leistungsfähigkeit ist nicht lediglich nach seinem Renteneinkommen zu beurteilen, denn der Bezug der Berufsunfähigkeitsrente gebietet nicht zwingend den Schluss, dass der Rentenbezieher nicht in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auszuüben.
Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit wird gezahlt, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung so sehr gemindert ist, dass er in seinem erlernten Beruf nur noch weniger als die Hälfte dessen verdienen kann, was ein vergleichbarer gesunder Mensch verdienen könnte. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt derzeit in den neuen Bundesländern 602,96 EUR.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2 S. 1; SGB VI §§ 93, 96a, 240
Verfahrensgang
AG Mühlhausen (Urteil vom 22.04.2005; Aktenzeichen 2 F 526/04) |
Tenor
I. Das Urteil des AG - FamG - Mühlhausen vom 22.4.2005 wird wie folgt abgeändert und neu gefasst:
1. Der Kläger wird verurteilt, in Abänderung des Vergleichs des AG - FamG - Mühlhausen vom 28.3.2000 (Az. 5 F 18/2000), Ziff. 1b) an die Beklagte zu 1) einen monatlichen Kindesunterhalt
vom 1.11.2000 bis 30.6.2001 i.H.v. 372 DM, entspricht 190,20 EUR,
vom 1.7.2001 bis 31.12.2001 i.H.v. 328 DM, entspricht 167,70 EUR,
vom 1.1.2002 bis 31.8.2002 i.H.v. 169 EUR,
für September 2002 i.H.v. 132 EUR,
vom 1.10.2002 bis 22.4.2005 i.H.v. 173 EUR,
abzgl. gezahlter 551,54 EUR
und ab dem 23.4.2005 keinen Unterhalt zu zahlen.
2. Der Vergleich des AG FamG - Mühlhausen vom
28.3.2000 (Az. 5 F 18/2000), Ziff. 1a) wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten zu 2) ab November 2000 keinen Unterhalt mehr schuldet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten der I. Instanz tragen der Kläger zu 32 %, die Beklagte zu 1) zu 17 % und die Beklagte zu 2) zu 51 %.
Der Kläger trägt 65 % der außergerichtlichen Kosten I. Instanz der Beklagten zu 1).
Von den außergerichtlichen Kosten I. Instanz des Klägers tragen die Beklagte zu 1) 17 % und die Beklagte zu 2) 51 %.
Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten I. Instanz selbst.
Die Gerichtskosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 45 %, die Beklagte zu 1) zu 24 % und die Beklagte zu 2) zu 31 %.
Der Kläger trägt 65 % der außergerichtlichen Kosten II. Instanz der Beklagten zu 1).
Von den außergerichtlichen Kosten II. Instanz des Klägers tragen die Beklagte zu 1) 24 % und die Beklagte zu 2) 31 %.
Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten II. Instanz selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Dem Kläger wird zur Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt.
Der Kläger hat beginnend ab dem 1.4.2006 monatliche Raten i.H.v. 15 EUR an die Landeskasse zu zahlen.
Gründe
Der Kläger ist der Vater der am 22.4.1987 geborenen Beklagten zu 1) und der am 8.2.1985 geborenen Beklagten zu 2).
Die Parteien haben am 28.3.2000 vor dem AG Mühlhausen (Az. 5 F 18/00) einen Vergleich geschlossen, der Kläger hat sich verpflichtet, einen monatlichen Unterhalt i.H.v. (468 DM, entspricht) 239,28 EUR an die Beklagte zu 1) und i.H.v. (483 DM, entspricht) 246,95 EUR an die Beklagte zu 2) zu zahlen. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab November 2000 in Anspruch.
Der Kläger erhält eine monatliche Rente wegen Berufsunfähigkeit, die ab dem 28.9.2000 1062,52 DM und ab dem 1.7.2003 573,67 EUR beträgt.
Der Kläger hat das Haus, in dem er wohnt, im November 2000 Schenkungsweise seinem Sohn überlassen. In dem notariellen Vertrag ist ein lebenslanges Wohnrecht für den Kläger vereinbart, das auch dinglich gesichert ist.
Der Kläger hat bestritten, dass ihm ein Wohnwert zuzurechnen sei. Er zahle derzeit auf eine noch bestehende Belastung bei der Bausparkasse i.H.v. 3.600 EUR eine monatliche Rate i.H.v. 62,15 EUR. Der Kredit sei während bestehender Ehe für den Einbau einer Heizungsanlage aufgenommen worden. Er zahle darüber hinaus für Heizkosten monatlich 141 EUR und für die übrigen Nebenkosten monatlich 51,48 EUR.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der Antragstellung wird Bezug genommen auf das Urteil I. Instanz (Bl. 54 R, 55 d.A.).
Die Beklagten haben vorgetragen, dem Kläger sei ein Wohnwert i.H.v. mindestens 300 EUR zuzurechnen.
Der Kläger sei verpflichtet, geringfügige Arbeiten auszuüben. Eine Tätigkeit als Telefonist oder Pförtner scheide wohl kaum aus; es werde bestritten, dass der Kläger nach wie vor psychisch beeinträchtigt sei und bei Ausführung dieser Tätigkeiten durch seine Behinderung eingeschränkt sei. Der Kläger sei auch in der Lage, mindere Tätigkeiten auszuüben; das Problem sei wahrscheinlich sein teilweise übermäßiger Alkoholgenuss.
Das AG hat den Vergleich des AG Mühlhausen vom 28...