Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Strenge Haftung des Verwalters im Zusammenhang mit anfänglichen Baumängel-Gewährleistungsansprüchen
Normenkette
§ 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG, § 28 Nr. 5 WEG, § 276 BGB
Kommentar
1. Es ist grundsätzliche Pflicht des Verwalters, Baumängel festzustellen, Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten und eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen (z B. Einschaltung eines Sachverständigen) herbeizuführen. Eine Verpflichtung des Verwalters zu selbstständigem Handeln kommt nur in Betracht, wenn sein Eingreifen unaufschiebbar ist (h.R.M.).
2. Im vorliegenden Fall hatte ein Verwalter (über stillschweigend zustandegekommenen Verwaltervertrag) das mögliche Gewährleistungsverschulden (Mitverantwortlichkeit) nicht erkannt. Weder die Wohnungseigentümer noch der Verwalter ließen die Ursache aufgetretener Feuchtigkeitsschäden genauer untersuchen. Unter Berücksichtigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sich der Verwalter jedoch sagen müssen, dass eine Mitverantwortlichkeit der betreffenden Firma zumindest nicht auszuschließen sei. Es gehört deshalb zu den Pflichten eines Verwalters, die Wohnungseigentümer hierauf aufmerksam zu machen und eine Entscheidung über das weitere Vorgehen, sei es auch nur darüber herbeizuführen, ob zur genauen Aufklärung der Schadensursache sachverständiger Rat eingeholt werden sollte. Verwalterpflichten reichen jedenfalls so weit, dass ein Verwalter diejenigen Erwägungen anstellen muss, die Hauseigentümer, die ihr Eigentum selbst verwalten, anstellen, wenn ihnen nicht ein "Verschulden gegen sich selbst" anzurechnen sein soll.
Dies gilt umsomehr, wenn Wohnungseigentümer nicht ohnehin bereits über den entsprechenden Erkenntnisstand verfügen. Diese Verwalterpflichten folgen daraus, dass die Wohnungseigentümer die Beaufsichtigung und Betreuung der Anlage auch hinsichtlich der Aufdeckung und Beseitigung von Baumängeln in die Hand des Verwalters gegeben haben und dass sie, zumal bei großen Wohnanlagen, vielfach gar nicht die Möglichkeit besitzen, selbst diese Aufgaben wahrzunehmen. Der Maßstab für die Verwalterpflichten wird des Näheren von der im "Verkehr erforderlichen Sorgfalt" eines durchschnittlichen Verwalters unter den Umständen des konkreten Verwalterverhältnisses bestimmt. Für das Maß der Anforderungen kann dabei von Einfluss sein, ob der Verwaltervertrag für eine große oder eine kleinere Anlage und ob er mit einem die Verwaltergeschäfte nebenamtlich erledigenden "Laien" oder mit einer Fachfirma geschlossen ist.
Jemand, der die nähere Ursache eines Mangels nicht kennt, muss zunächst davon ausgehen, dass die Verantwortlichkeit keines der bei der Errichtung des Bauwerks Beteiligten von vornherein sicher ausgeschlossen ist und dass dies im Hinblick auf etwa drohende Verjährungen im Auge behalten werden muss. In gleicher Weise lag auch eine mögliche Mitverantwortung der beauftragten Architekten an den mangelhaften Gewerken nahe. Da die Behebung von Baumängeln am Gemeinschaftseigentum im Interesse aller Wohnungseigentümert liegt, muss der Verwalter jedenfalls die Eigentümerversammlung unterrichten, wenn sie nicht ohnehin bereits über den gleichen Kenntnisstand verfügt. Auch wenn eine Verwaltung stets in vollem Einvernehmen mit einem Verwaltungsbeirat gehandelt hat, stellt dies die Verwaltung nicht von ihrer Verantwortung frei, und Wohnungseigentümer haben hier auch nicht ihre Rechte verwirkt.
3. Auch die Wirkung von Entlastungsbeschlüssen rechtfertigt keinen Haftungsverzicht. Der Beschluss über die Entlastung des Verwalters bedeutet i.d.R. ein negatives Schuldanerkenntnis hinsichtlich solcher Vorgänge, die bei der Beschlussfassung bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren (h.R.M.). Als bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar sind solche Vorkommnisse zu verstehen, die bei sorgfältiger Prüfung aller der Wohnungseigentümerversammlung gemachten Vorlagen und erstatteten Berichte erkennbar waren. Im vorliegenden Fall kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht gesagt werden, den Wohnungseigentümern sei bei ihren Beschlussfassungen bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar gewesen, dass ihnen die Verwaltung aus Verletzung des Verwaltervertrages möglicherweise schadensersatzpflichtig sei.
4. Die antragsabweisenden Entscheidungen des AG München und des LG München I wurden somit aufgehoben und die Sache wurde neuerlich an das LG zurückverwiesen.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 25.06.1987, BReg 2 Z 39/86)
Zu Gruppe 6: Baurechtliche und bautechnische Fragen, Baumängel
Anmerkung:
[Dieses Entscheidungsergebnis entspricht heute h.R.M. Hiesiger Streit wurde beim LG verglichen.]