Leitsatz
Vereinbaren die Parteien eines Mietvertrags über Gewerberaum als Mietzweck den "Betrieb eines Spielwaren- und Babyartikel Fachmarktes sowie Kinderbekleidung", so stellt die Lagerung und/oder der Verkauf von Silvesterfeuerwerksprodukten der Kategorie 2 einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache dar. Bei Silvesterfeuerwerksprodukten der Kategorie 2 handelt es sich nicht um Spielwaren.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Eine Änderung des Vertragszwecks bedarf der Genehmigung des Vermieters. Dieser kann die Genehmigung grundsätzlich nach freiem Ermessen versagen. Eine Ausnahme gilt, wenn die Zweckänderung aufgrund eines Strukturwandels zum Zweck der Betriebserhaltung wirtschaftlich erforderlich ist. Der Wunsch des Mieters zur Gewinnmaximierung genügt nicht.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB § 535
Kommentar
Die Gewerberäume sind Teil eines Einkaufszentrums. Der Mietvertrag wurde im Jahr 1995 mit der genannten Zweckbestimmung abgeschlossen. Im Jahr 2009 – also nach 14-jähriger Mietzeit – bat die Mieterin um Erlaubnis zum Verkauf von Silvesterfeuerwerksprodukten der Kategorie 2. Hierbei handelt es sich um Gegenstände, die wegen ihrer potenziellen Gefährlichkeit nach gesetzlicher Regelung nur an Volljährige verkauft werden dürfen. Der Vermieter hatte die Genehmigung versagt. Das Gericht hatte zum einen zu entscheiden, ob der Verkauf der Feuerwerkskörper vom Vertragszweck umfasst wird (Leitsatz 1) und – falls dies nicht der Fall ist – ob der Vermieter eine Erweiterung oder Veränderung des Vertragszwecks genehmigen muss (Leitsatz 2).
1 Auslegung des Mietzwecks (zu Leitsatz 1)
Das Gericht führt aus, dass sich der zulässige Mietgebrauch ausschließlich aus den mietvertraglichen Vereinbarungen ergibt. Es kommt nicht darauf an, ob der Mieter in anderen Filialen neben Spielwaren auch Feuerwerkskörper verkauft. Ebenso spielt es keine Rolle, ob der Verkauf von Feuerwerkskörpern nach den Eintragungen im Handelsregister zum Gegenstand des Unternehmens gehört. Maßgeblich für die Auslegung des Mietvertrags ist der allgemeine Sprachgebrauch. Danach zählen Feuerwerkskörper nicht zu den "Spielwaren". Deren Lagerung und Verkauf wird deshalb nicht vom Vertragszweck erfasst.
2 Genehmigung des geänderten Vertragszwecks (zu Leitsatz 2)
Eine Änderung des Vertragszwecks bedarf der Genehmigung des Vermieters. Das Gericht führt hierzu aus, dass der Vermieter die Genehmigung grundsätzlich nach freiem Ermessen versagen oder erteilen kann.
Nach obergerichtlicher Rechtsprechung sind allerdings einige Ausnahmen zu beachten: Zum einen muss der Vermieter die Genehmigung erteilen, wenn die geänderte Nutzung nicht mehr stört als die ursprüngliche (BGH, Urteil v. 14.7.2009, VIII ZR 165/08, NJW 2009 S. 3157; Joachim, NZM 2009, S. 801, 803). Zum anderen hat der Mieter einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, wenn sein Interesse an der Änderung des Vertragszwecks das Interesse des Vermieters überwiegt. Nach Ansicht des Gerichts setzt dies voraus, dass die Zweckänderung "aufgrund eines Strukturwandels zum Zwecke der Betriebserhaltung wirtschaftlich erforderlich" ist.
Hier gehe es lediglich um den Wunsch des Mieters zur Gewinnmaximierung. Dies rechtfertigt für sich allein keinen Anspruch auf Genehmigung.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Urteil v. 6.6.2011, 8 U 9/11, GE 2011 S. 1083