1 Leitsatz
Ein im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht ist für Zwecke des § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes dem Grundbesitz des entsprechenden Wohnungs- oder Teileigentümers zuzuordnen, dessen Inhalt es bestimmt.
2 Normenkette
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
3 Das Problem
Ein Teileigentümer streitet mit dem Finanzamt, ob für ein Sondernutzungsrecht bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags ein Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu berücksichtigen ist.
4 Die Entscheidung
Der BFH bejaht die Frage! Ein im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht stelle zwar kein Grundvermögen dar. Es sei jedoch für Zwecke des § 9 Nr. 1 GewStG dem Grundbesitz des entsprechenden Wohnungs- oder Teileigentums zuzuordnen, dessen Inhalt es bestimme.
Ein Sondernutzungsrecht sei das durch Vereinbarung begründete Recht eines oder mehrerer Wohnungs- oder Teileigentümer, Teile des gemeinschaftlichen Eigentums unter Ausschluss der übrigen Wohnungs- bzw. Teileigentümer allein zu benutzen. Das Sondernutzungsrecht sei zivilrechtlich weder Bestandteil (§§ 93, 94 BGB) des Sondereigentums noch des gemeinschaftlichen Eigentums. Anders als eine Grunddienstbarkeit sei es auch – mangels subjektiv-dinglicher Berechtigung – kein Recht im Sinne des § 96 BGB. Die Begründung eines Sondernutzungsrechts lasse die (zivilrechtlichen) Eigentumsverhältnisse an der betroffenen Grundstücksfläche unberührt. Der Sondernutzungsberechtigte habe über seinen Miteigentumsanteil hinaus in der Regel auch kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen gemeinschaftlichen Eigentum. Auch das im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht stelle weder ein dingliches noch ein grundstücksgleiches Recht dar. Es sei vielmehr ein schuldrechtliches Gebrauchsrecht, dessen Gegenstand allein die im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Grundstücksfläche sei. Sei das Sondernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen, werde es aber als Inhaltsbestimmung dem Sondereigentum zugeordnet. Hieraus folge, dass das im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht auch für Zwecke des § 9 Nr. 1 GewStG dem Wohnungs- bzw. Teileigentum und damit dem Grundbesitz des entsprechenden Wohnungs- bzw. Teileigentümers zuzuordnen sei, dessen Inhalt es bestimme.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob sich ein Teileigentümer bei der Errechnung seines Gewinns auf ein "Kürzungsrecht" berufen kann. Hintergrund ist § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG. Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird danach derzeit um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt. Anstelle der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG tritt gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Hier ist jetzt zu fragen, ob ein wesentlicher Gebäudebestandteil, an dem ein Sondernutzungsrecht besteht, zum "Grundbesitz" gehört. Der BFH arbeitet hier die sachenrechtliche Lösung heraus. Diese lautet "Nein". Und er arbeitet eine wirtschaftliche Sichtweise heraus. Diese lautet demgegenüber "Ja" und bestimmt, was für das GewStG gilt.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Verwaltung muss nur die sachenrechtliche Lösung kennen. Diese stimmt mit dem BGH überein. Ein wesentlicher Gebäudebestandteil, an dem ein Sondernutzungsrecht besteht, gehört danach also sämtlichen Wohnungseigentümern.
6 Entscheidung
BFH, Urteil v. 19.12.2023, IV R 5/21