Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Wohnung kann aufgrund verneinter unzumutbarer Beeinträchtigung auch als Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei genutzt werden
Kein Stimmrechtsausschluss des betroffenen Eigentümers hinsichtlich erwünschter Nutzungsänderungs-Zustimmung
Unterschreitung der Einberufungsfrist führt nur dann nicht zur Beschlussungültigkeit, wenn feststeht, dass die Beschlüsse ohne den Einberufungsmangel ebenso gefasst worden wären
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 24 Abs. 4 WEG, § 25 Abs. 5 WEG
Kommentar
1. Im vorliegenden Fall bestand die - heute i.Ü. so oder ähnlich häufig gebräuchliche - Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung:
"Zur Ausübung eines Gewerbes und Berufes in einer Wohnung ist ein Eigentümer nur mit schriftlicher Einwilligung des Verwalters berechtigt, der hierzu eines Beschlusses der Eigentümerversammlung bedarf. Der Verwalter kann nur aus einem wichtigen Grunde die Einwilligung verweigern oder von der Erfüllung von Auflagen abhängig machen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufes eine unzumutbare Beeinträchtigung der Eigentümer oder Hausbewohner mit sich bringt oder besorgen lässt."
Vorliegend beschlossen die Eigentümer Ermächtigung des Verwalters, der Nutzung zweier Wohnungen als Büro für eine Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzlei zuzustimmen. Zuvor wurden von Eigentümerseite die beiden Wohnungen durch Mauerdurchbruch verbunden.
2. Der mit einer Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung verbundene Parteiverkehr stellt grundsätzlich keine unzumutbare Beeinträchtigung der übrigen Eigentümer dar (vgl. BayObLGZ 1995, 42/46). Somit entsprach der Beschluss der hier getroffenen Vereinbarung (Verneinung eines wichtigen Grundes für eine Einwilligungs-Verweigerung).
3. Wenn es um die Nutzungs- oder Nutzungsänderungsfrage eines Sondereigentums geht, ist der betreffende Eigentümer nicht vom Stimmrecht nach § 25 Abs. 5 WEGausgeschlossen.
4. § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG (zur Einberufungsfrist) ist allein eine Sollvorschrift, deren Verletzung nicht ohne weiteres dazu führt, dass in einer nicht fristgerecht einberufenen Versammlung gefasste Beschlüsse für ungültig zu erklären sind (h.R.M.). Gefasste Beschlüsse sind auf Anfechtung hin allerdings nur dann nicht für ungültig zu erklären, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass sie ohne den Einberufungsmangel ebenso gefasst worden wären (h.R.M., vgl. BayObLG, WE 91, 261).
5. Die Frage der Berechtigung der Wohnungsverbindung durch Mauerdurchbruch war im vorliegenden Fall nicht streitgegenständlich mitzuentscheiden.
6. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 10.000.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 28.10.1998, 2Z BR 137/98= NZM 3/1999, 130)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Damit dürfte sich die Tendenz fortsetzen, dass bei zumindest grundsätzlich möglicher gewerblicher Nutzung von Wohnraum nach entsprechend liberaler Gemeinschaftsordnung-Vereinbarung auch Wohnungseigentum für selbstberufliche Zwecke genutzt werden kann. Abgestellt wird hier in generalisierender (typisierender) Betrachtungsweise, dass ein zu erwartender Parteiverkehr zwar Beeinträchtigungen mit sich bringen kann, die allerdings im Rahmen der Wertung zum unbestimmten Rechtsbegriff des wichtigen Grundes für die restlichen Eigentümer nicht als unzumutbar angesehen werden müssen. Leider besteht wohl im umgekehrten Falle einer Nutzungsänderung, z.B. der Umwidmung eines Büros in eine Wohnung, diese liberale Auffassung noch nicht, da offensichtlich das Bewohnen eines Sondereigentums nachteiliger zu werten ist, als der dortige Betrieb einer Kanzlei, Praxis oder eines Büros. Vielleicht entwickelt sich auch hier in Zukunft eine liberalere Auffassung als bisher, wobei wohl stets auf den Einzelfall und den ursprünglich festgelegten Gesamtcharakter einer Anlage abzustellen ist sowie speziell getroffene Vereinbarungen.