Rz. 6
Urteile, die einem an sich statthaften ordentlichen (befristeten) Rechtsmittel (Berufung oder Revision), Rechtsbehelf (Einspruch) oder der Rüge nach § 321a ZPO unterliegen, werden mit Ablauf der Rechtsmittel-, Einspruchs- und Rügefrist sowie dem Ablauf der Frist der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 Abs. 2 ZPO) formell rechtskräftig, sofern das entsprechende Rechtsmittel (Berufung, Revision, Nichtzulassungsbeschwerde, Einspruch oder Rüge) nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Ohne Einfluss auf den Eintritt der formellen Rechtskraft sind insoweit die außerordentlichen Rechtsbehelfe wie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) und das Wiederaufnahmeverfahren (§ 578 ZPO). Werden sie allerdings im Einzelfall erfolgreich geltend gemacht, so führt das zur rückwirkenden Beseitigung der formellen Rechtskraft (MünchKomm/ZPO-Götz, § 705 Rn. 4; BGHZ 100, 203). Das an sich statthafte Rechtsmittel (Einspruch) hindert den Eintritt der formellen Rechtskraft, wenn es rechtzeitig eingelegt ist. Darauf, ob es im Einzelfall zulässig ist oder nicht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Rz. 7
Urteile, gegen die ein statthaftes Rechtsmittel schlechthin nicht gegeben ist, werden mit ihrer Verkündung formell rechtskräftig. Für sie gilt Satz 1 nicht, der die grundsätzliche Möglichkeit eines Rechtsmittels vorsieht. Mit Verkündung werden demnach rechtskräftig: die Revisionsurteile des BGH sowie die Urteile des Oberlandesgerichts in Arrestsachen und im Verfahren der einstweiligen Verfügung (§ 542 Abs. 2 ZPO). Urteile, die nicht schlechterdings einer Anfechtung entzogen sind, sondern lediglich im Einzelfall nicht angefochten werden können, weil die Berufungssumme nicht erreicht und die Berufung oder auch die Revision nicht zugelassen wurden (§ 511 Abs. 2, § 543 ZPO), werden nicht mit ihrer Verkündung, sondern erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde oder aber mit der ablehnenden Entscheidung auf die Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig.
Rz. 8
Bei Teilentscheidungen tritt die Rechtskraft hinsichtlich des nicht angefochtenen Teils erst dann ein, wenn feststeht, dass weder eine Erweiterung des Rechtsmittels noch ein Anschlussrechtsmittel möglich ist (vgl. auch BGH, NJW 1994, 657 = ZIP 1994, 126 f.; NJW 1994, 2896).
Rz. 9
Wird wirksam auf ein Rechtsmittel verzichtet, tritt die formelle Rechtskraft schon vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist ein, so dass eine Anfechtung des Urteils ausgeschlossen ist. Das ist dann der Fall, wenn entweder beide Parteien auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet haben (h. M.) oder allein die durch die Entscheidung beschwerte Partei den Rechtsmittelverzicht erklärt hat (zum Letzteren streitig: Schuschke/Walker, § 705 Rn. 5; a. A.: LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 2.11.2007, 2 Ta 7/07; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 21.1.1971 – 4 StR 238/70 –, NJW 1971, 664; MünchKomm/ZPO-Götz, § 705 Rn. 14; Zöller/Seibel, § 705 Rn. 9).