1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
§ 730 ZPO bestimmt, dass der Schuldner vor der Erteilung der qualifizierten Vollstreckungsklauseln (§§ 726 Abs. 1, 727-729, 738, 742, 744, 744a, 745 Abs. 2 und 749 ZPO) angehört werden kann. In allen Fällen der besonderen (qualifizierten) Vollstreckungsklausel des § 726 Abs. 1 und der §§ 727 bis 729 ZPO braucht der Gläubiger die einzelnen Tatsachen zur Klauselerteilung dann nicht nachzuweisen, wenn diese Tatsachen offenkundig sind im Sinne des § 291 ZPO. Über diese Vorschrift hinaus werden als "offenkundig" auch solche Tatsachen angesehen, die der Schuldner bei einer Anhörung schriftlich oder mündlich zu Protokoll zugesteht (vgl. auch hierzu OLG Köln, MDR 1990, 452 = Rpfleger 1990, 264). Ein solches Zugeständnis seitens des Schuldners kann die Klage nach § 731 ZPO überflüssig machen. Im Umkehrschluss zur Regelung gilt, dass vor der Erteilung der einfachen Vollstreckungsklausel im Interesse einer effektiven Zwangsvollstreckung keine Anhörung des Schuldners stattfindet (BGH, Beschluss v. 16.8.2016, X ZR 37/16 – Juris). Die Anhörung Dritter ist gesetzlich nicht vorgesehen. Ist für das erteilende Klauselorgan die Betroffenheit eines Dritten ersichtlich, z. B. um einem Prätendenten zu ermöglichen, sich gegen die Klauselerteilung an den Antragsteller zu wenden, kann aus Gründen des fairen Verfahrens eine Anhörung auch des betroffenen Dritten geboten sein. Jedenfalls bedeutet es kein Ermessensmissbrauch, wenn ein betroffener Dritter – ebenso wie der Schuldner – vor der Erteilung einer qualifizierten Klausel angehört wird (vgl. BeckOKZPO-Ulrici, § 730 Rn. 9).
Rz. 2
Die Bestimmung wird dagegen nicht als eine besondere Ausprägung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG angesehen (a. A. Münzberg, Rpfleger 1991, 161), sondern als Vorschrift zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens. Das rechtliche Gehör ist ausreichend gewährt durch die Regelungen der §§ 732, 768 ZPO.
2 Verfahren
Rz. 3
Der Rechtspfleger als das zuständige Organ zur Erteilung der qualifizierten Klausel entscheidet nach freiem Ermessen, ob er den Schuldner bzw. den neuen Schuldner vor der Erteilung der Klausel anhört oder nicht. Eine Anhörung empfiehlt sich in den Fällen, in denen das Vorbringen des Schuldners für die Klauselerteilung Bedeutung erlangen kann und eine besondere Dringlichkeit im Hinblick auf einen raschen Vollstreckungszugriff nicht gegeben ist. In der Anhörung liegt eine weitere Erkenntnisquelle über die Frage des Eintritts der Voraussetzungen einer Klauselerteilung (LG Hagen, Beschluss v. 4.5.2018, 3 T 81/18, juris). Grundsätzlich dürfte der Schuldner anzuhören sein (Rechtsgedanke des Art. 103 Abs. 1 GG bzw. des Anspruchs auf ein faires Verfahren; vgl. BVerfG, NJW 2000, 1709). Eine Pflicht des Rechtspflegers, einem Gesuch des Antragstellers auf Anhörung stattzugeben, kann nur dann angenommen werden, wenn der Antragsteller substantiiert darlegt, dass und aus welchen nachvollziehbaren Gründen zu erwarten ist, dass der Schuldner die Rechtsnachfolge zugestehen und der bisherige Gläubiger der Klauselerteilung zustimmen werde (BGH, Rpfleger 2005, 611 = WM 2005, 1914 = NotBZ 2005, 322 = DNotZ 2005, 917). Hat der Gläubiger durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden den Nachweis lückenlos geführt, ist eine Anhörung nicht angezeigt, da sie an bloße Förmelei grenzen würde. Auch wenn Nachweise im vorgenannten Sinn vom Gläubiger überhaupt nicht vorgelegt werden und der Rechtspfleger den Antrag auf Erteilung der Klausel dieserhalb ablehnen müsste, ist eine Anhörung nicht angezeigt (a. A. OLG Hamm, Rpfleger 1991, 161 m. Anm. Münzberg). Eine Anhörung sollte zumeist erfolgen, da durch diese auch Zweifel – zur Vermeidung von Kosten einer Klauselerteilungsklage nach § 731 ZPO und aus Gründen der "Prozessökonomie" – im Anhörungsverfahren aufgeklärt werden können (Stein/Jonas/Münzberg, § 730 Rn. 3).
Rz. 4
Die Anhörung ist in der Form eines Beschlusses, der nicht anfechtbar ist, anzuordnen (MünchKomm/ZPO-Wolfsteiner, § 730 Rn. 8; a. A. BeckOK ZPO/Ulrici, § 730 Rn. 5). Sie kann schriftlich (Regelfall), aber auch mündlich erfolgen. Zu eventuellen schriftlichen Äußerungen des Schuldners ist dem Gläubiger Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen; zur mündlichen Anhörung ist auch der Gläubiger zu laden. Die Anhörung soll dem Schuldner insbesondere Gelegenheit geben, Einwendungen gegen den Nachweis der besonderen Voraussetzungen für die Klauselerteilung bereits jetzt und im Klauselerteilungsverfahren vorzubringen (Zöller/Seibel, § 730 Rn. 1). Allerdings trifft den Schuldner keinerlei Last oder Pflicht an dem Verfahren mitzuwirken und entweder schriftlich Stellung zu nehmen oder zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen. Prozessuale Nachteile hat er in beiden Fällen nicht zu befürchten (MünchKomm/ZPO-Wolfsteiner, § 730 Rn. 9). Unzulässig ist eine Anhörung vor Erteilung der einfachen Klausel nach den §§ 724, 725 ZPO, weil der Vollstreckungszugriff dann leicht vereitelt werden könnte.