Rz. 2
Vollstreckungsschuldner und (Mit-)Gewahrsamsinhaber müssen Ehegatten oder Lebenspartner (nach dem LPartG) sein. Da die Gewahrsams- und Besitzvermutung mit der Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB verknüpft ist, gilt die Bestimmung ohne Rücksicht auf den Güterstand der Ehegatten (LG München, JurBüro 1989, 1311; § 96 GVGA). Bei der Gütergemeinschaft allerdings gilt die Bestimmung nur für die Vollstreckung in Sondergut (§ 1417 BGB; dies ist allerdings in der Regel unpfändbar nach § 1417 Abs. 2 BGB; §§ 851 Abs. 1, 857 Abs. 3 ZPO) und Vorbehaltsgut (§ 1418 BGB), während für die Vollstreckung in das Gesamtgut die §§ 740 bis 745 ZPO eine abschließende Sonderregelung enthalten (AG Menden, FamRZ 2006, 1471 = IPRspr 2006, 449). Eine analoge Anwendung der Bestimmung auf die Partner einer nicht eingetragenen Lebenspartnerschaft oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird von der h. M. abgelehnt (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, § 739 Rn. 4 m. w. N.). Nach dem lex fori-Prinzip findet § 739 ZPO als prozessuale Vorschrift einschließlich der von ihm in Bezug genommenen Tatbestandsmerkmale von § 1362 BGB und § 8 Abs. 1 LPartG auf die Zwangsvollstreckung gegen einen im Inland mit seinem Ehegatten zusammenlebenden Schuldner auch dann Anwendung, wenn die Ehe und ihre allgemeinen Wirkungen ausländischem Recht unterstehen. Macht der Ehegatte des Vollstreckungsschuldners jedoch über § 771 ZPO sein Eigentum als die Veräußerung hinderndes Recht geltend, wird er hierbei nur nach Maßgabe von Art. 28 EuGüVO durch § 1362 BGB, § 8 LPartG oder eine vergleichbare ausländische Vermutungsregelung gehindert (BGH, NJW 2015, 1238; BeckOK/ZPO-Ulrici, § 739 Rn. 2, 2.1). Eine entsprechende Anwendbarkeit der Bestimmung auf sonstige Formen des Zusammenlebens kommt nach h. M. nicht in Betracht (BGH, NJW 2007, 992; a. A. MüKoBGB/Heßler, § 739 Rn. 19 f.).
Rz. 3
Die Bestimmung des § 739 ZPO gilt nur für die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen und zur Erwirkung der Herausgabe einer solchen Sache oder der Leistung vertretbarer Sachen (§§ 808 ff., 883, 884 ZPO). Keine Bedeutung erlangt die Vorschrift bei der Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte sowie in das unbewegliche Vermögen (LG Coburg, FamRZ 1962, 387).
Rz. 4
Da zugunsten des Gläubigers desjenigen Ehegatten, der als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen wird, die Eigentumsvermutung des § 1362 BGB eingreifen muss, wird der Bestand der Ehe zum Zeitpunkt der Vollstreckungsmaßnahme vorausgesetzt. Ist die Ehe zu diesem Zeitpunkt bereits geschieden oder ist sie für nichtig erklärt, gilt die Vermutung nicht. Sie ist auch nicht auf nichteheliche (und nacheheliche) Lebensgemeinschaften entsprechend anwendbar (OLG Köln, FamRZ 1990, 623 m. w. N.; LG Frankfurt/Main, NJW 1986, 729; a. A.: ausführlich MünchKomm/ZPO-Heßler, § 739 Rn. 19 bis 21). Der Gegenstand, der Objekt der Zwangsvollstreckung sein soll, muss sich im Besitz eines der Ehegatten oder beider Ehegatten befinden. Ein Kraftfahrzeug, das sich im Besitz sowohl des Zwangsvollstreckungsschuldners als auch seiner Ehefrau befindet, kann jedenfalls gepfändet und verwertet werden (LG Oldenburg, DGVZ 2010, 14). Übernimmt die Ehefrau des Schuldners dessen Gewerbebetrieb (Eisdiele) unterbrechungslos, nachdem dem Schuldner das Gewerbe untersagt wurde und arbeitet er weiter im Betrieb, entfaltet im Fall der Kassenpfändung die Gewahrsamsvermutung des § 739 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB ihre Wirkung (LG Lübeck, JurBüro 2020, 389).
Rz. 5
Die Vermutung wird dann eingeschränkt, wenn die Eheleute erkennbar nicht nur vorübergehend räumlich getrennt leben, sodass der Partner keinen Zugang zu den Sachen mehr hat, die sich im Besitz des anderen Ehegatten befinden (§ 1362 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ferner greift die Vermutung dann nicht, wenn es sich um Sachen handelt, die ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmt sind und dieser Ehegatte nicht der Schuldner ist (§ 1362 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB). Bei Beantwortung der Frage, ob die Eheleute getrennt leben, ist in der Regel auf die räumliche und zeitliche Trennung abzustellen, nicht aber auf subjektive Momente (LG Berlin, DGVZ 1973, 89), soweit sie nicht für jedermann ohne weitere Nachforschungen erkennbar sind und trotz äußerer Trennung der Ehepartner den Fortbestand der häuslichen Gemeinschaft nahe legen (längerer Kur- und Krankenhausaufenthalt, Gefängnisaufenthalt (LG Berlin, DGVZ 1991, 57), längere Auslandsgeschäftsreise o. Ä.). Ein Indiz für die Beibehaltung der häuslichen Gemeinschaft trotz längerer räumlicher Trennung kann es u. a. sein, wenn der abwesende Ehegatte auch weiterhin unter der Anschrift der ehelichen Wohnung gemeldet ist (bleibt). Letztlich entscheidend dürfte schließlich der Eindruck sein, den der zuständige Gerichtsvollzieher "vor Ort" hat (§ 95 Abs. 3 GVGA). Ob die Gegenstände ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmt sind, richtet sich nach ihrer Natur (z. B. Kleider, Schmuck, Bücher pp.) und nicht nach der Abred...