1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
§ 741 ZPO ergänzt die materiell-rechtlichen Bestimmungen der §§ 1431, 1456 BGB. Danach kann jeder Ehegatte (auch hier gilt, dass die Lebenspartner, die einen Lebenspartnerschaftsvertrag (§§ 6, 7 LPartG) geschlossen haben, wie Ehegatten zu behandeln sind), der das Gesamtgut nicht oder nicht allein verwaltet, mit Einwilligung des verwaltenden Ehegatten ein Erwerbsgeschäft in der Weise selbstständig führen, dass er für die einzelnen Rechtsgeschäfte und/oder -streitigkeiten, die der Geschäftsbetrieb des Erwerbsgeschäfts mit sich bringt, nicht in jedem Einzelfall die Zustimmung des verwaltenden Ehegatten einholen muss. Andererseits kann das Gesamtgut durch das Wirken des das Erwerbsgeschäft führenden Ehegatten berechtigt und verpflichtet werden. Nach § 740 ZPO müsste zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein Titel auch gegen den Ehegatten erwirkt werden, der nicht das Erwerbsgeschäft führt. Im Interesse des Rechtsverkehrs genügt nun nach § 741 ZPO in diesen Fällen zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein Titel gegen den selbstständig ein Erwerbsgeschäft führenden Ehegatten, obwohl dieser das Gesamtgut nicht, jedenfalls nicht allein verwaltet. Eines Leistungs- oder nur eines Duldungstitels gegen den (mit-)verwaltenden Ehegatten bedarf es dabei ebenso wenig wie der Umschreibung des Titels auf diesen (Stein/Jonas/Münzberg, § 741 Rn. 2).
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
Die Vorschrift gilt ebenso wie § 740 ZPO für alle Arten der Zwangsvollstreckung und Vollstreckungstitel (§§ 794, 795 ZPO). § 741 ZPO ist nicht auf Geschäftsschulden beschränkt, sondern gilt zugunsten aller Gläubiger des das Erwerbsgeschäft betreibenden Ehegatten, auch wenn ihre Forderungen außerhalb des geschäftlichen Betriebs entstanden sind oder nicht zum Geschäft gehörende Rechte und Gegenstände betreffen. Die Bestimmung schließt die Anwendbarkeit des § 740 ZPO nicht aus, sondern ist daneben anwendbar (BeckOK ZPO/Ulrici, § 741 Rn. 4). Ein Titel gegen den verwaltenden Ehegatten reicht ebenso aus wie ein Titel gegen den anderen, der das Erwerbsgeschäft selbstständig führt. Wird ein Erwerbsgeschäft von dem allein oder von den gemeinsam verwaltenden Ehegatten betrieben, richtet sich die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut nach § 740 ZPO. Die Bestimmung gilt auch für die Zwangsvollstreckung in ein nach den Vorschriften ausländischen Güterrechts gebildetes, gesamthänderisch gebundenes Vermögen der Ehegatten bzw. Lebenspartner, unabhängig davon, ob und inwieweit der ausländische Güterstand vergleichbar mit den §§ 1431, 1440, 1456, 1462 BGB eine Haftung für die in einem Erwerbsgeschäft begründeten Verbindlichkeiten vorsieht (Beck OK/ZPO-Ulrici, § 741 Rn. 1.1). Sollte im Einzelfall eine entsprechende Haftung nach dem Recht des ausländischen Güterstandes fehlen, ist dies nach § 774 ZPO geltend zu machen (BeckOK/ZPO-Ulrici, § 741 Rn. 6).
3 Voraussetzungen
3.1 Erwerbsgeschäft
Rz. 3
Zum Zeitpunkt des Beginns der Zwangsvollstreckung muss ein Erwerbsgeschäft bestehen. Allerdings kommt es im Rahmen der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz für die Frage, ob ein Ehegatte ein Erwerbsgeschäft betreibt, auf den Zeitpunkt der anzufechtenden Handlung an (LG Karlsruhe, Beschluss v. 14.3.2008, 5 O 363/07). Ein Ehegatte betreibt ein Erwerbsgeschäft, wenn er eine auf Wiederholung angelegte, der Erzielung von Einkünften dienende wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig davon, ob sie gewerblich, künstlerisch, landwirtschaftlich (BayObLG, NJW-RR 1996, 80), freiberuflich oder wissenschaftlich ist, selbstständig ausübt (BGHZ 83, 76; OLG Karlsruhe, OLGZ 1976, 333). Erwerbsgeschäft im Sinne der Bestimmung ist auch eine freiberufliche Tätigkeit unter Einsatz sächlicher Mittel (BGH, a. a. O.), die Beteiligung als Gesellschafter an einer offenen Handelsgesellschaft oder als Komplementär an einer Kommanditgesellschaft, nicht dagegen die im Regelfall auf eine Kapitalanlage beschränkte Beteiligung (Aktionär, Kommanditist und Gesellschafter einer GmbH pp.). Nicht darunter fällt die Tätigkeit als Arbeitnehmer (OLG Düsseldorf, OLG 22, 161).
3.2 Selbstständiger Betrieb
Rz. 4
Zum selbstständigen Betrieb gehört, dass das Geschäft als eigenverantwortlicher Unternehmer, also unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung, betrieben wird (Stein/Jonas/Münzberg, § 741 Rn. 5). Nicht dagegen darf es sich um eine arbeitnehmerähnliche Position handeln. Das Erwerbsgeschäft wird auch dann noch "selbstständig geführt", wenn noch andere vertretungsberechtigte Personen oder gar ein Mitinhaber (auch u. U. der andere Ehegatte) vorhanden ist (z. B. bei Mitgesellschaftern oder einer Anwaltssozietät; vgl. BayObLG, Rpfleger 1983, 407). Im Güterrechtsregister (§ 1412 BGB) darf bei Eintritt der Rechtshängigkeit kein Einspruch des allein oder mitverwaltenden Ehegatten und auch nicht der Widerruf seiner Einwilligung eingetragen sein.
4 Vollstreckungsverfahren
Rz. 5
Gütergemeinschaft und selbständiges Betreiben eines Erwerbsgeschäfts sind vom Gläubiger nachzuweisen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2020, 1217). Vor Beginn der Zwangsvollstreckung prüft das zuständige Vollstreckungsorgan, ob der im Titel als Schuldner ausgewiesene Ehegatte d...