Rz. 1

Die Regelung überträgt dem Gerichtsvollzieher die Aufgabe, erforderlichenfalls den Aufenthaltsort des Schuldners zu ermitteln. Sie stellt dem Gerichtsvollzieher hierfür die Rechtsgrundlagen zur Verfügung. Sie gilt nur im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach dem 8. Buch der ZPO (einschließlich der Sicherungsvollstreckung; auch soweit hierauf verwiesen wird). Die Vorschrift gilt nicht im Rahmen des Erkenntnisverfahrens und auch nicht (lediglich) zur Vorbereitung der Zwangsvollstreckung (BGH, DGVZ 2014, 257). Anwendbar ist sie nur, soweit der Gerichtsvollzieher das zuständige Organ der Zwangsvollstreckung ist. Dabei ist die Aufenthaltsermittlung keine selbstständige Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern lediglich eine den Gerichtsvollzieher bei den ihm zugewiesenen Vollstreckungsmaßnahmen unterstützende Hilfsbefugnis (BGH, NJW-RR 2017, 960). Die Vorschrift ist nicht auf die Unterstützung der Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen gegen natürliche Personen begrenzt, sondern gilt auch für die Vollstreckungsmaßnahmen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (Ulrici, NJW 2017, 2661). Die Aufgabenübertragung soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der Zeitersparnis dienen (BGH, DGVZ 2019, 238). Die Befugnis steht dem Gerichtsvollzieher nicht von Amts wegen zur Verfügung, sondern ist ihm nur im Rahmen der Erteilung eines Vollstreckungsauftrages seitens und nach Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung durch den Gläubiger gestattet. Zudem müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen. Zum Vollstreckungsauftrag gehört die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung, die noch nicht zugestellt sein muss. Die Übermittlung der Ausfertigung des Titels genügt dann, wenn er keiner Vollstreckungsklausel bedarf (§ 724 ZPO). Dabei ist ihm insoweit ein Ermessen nicht eingeräumt. Für die Beauftragung des Gerichtsvollziehers nach § 755 ZPO ist deshalb neben einem expliziten Auftrag zur Aufenthaltsermittlung ein konkreter Zwangsvollstreckungsauftrag erforderlich, der die gewünschte Vollstreckungsmaßnahme genau bezeichnet (LG Heidelberg, DGVZ 2014, 93; AG Wiesloch, DGVZ 2014, 22). Ein isolierter Auftrag zur Aufenthaltsermittlung ist unzulässig (BGH, NJW-RR 2017, 960; LG Heidelberg, DGVZ 2014, 93; AG Leipzig, DGVZ 2013, 245). Nach h. M. ist allerdings ein gesonderter Antrag des Gläubigers zur Aufenthaltsermittlung erforderlich (BGH, DGVZ 2019, 238; AG Herzberg, DGVZ 2019, 106; MüKoKZPO/Heßler, § 755 Rn. 2; a. A. BeckOK/ZPO-Ulrici, § 755 Rn. 6-6.3). Die Aufenthaltsermittlung gemäß Modul L der Anlage zur Gerichtsvollzieherformular-Verordnung stellt keine selbstständige Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern lediglich eine den Gerichtsvollzieher bei den ihm zugewiesenen Vollstreckungsmaßnahmen unterstützende Hilfsbefugnis dar (BGH, NJW-RR 2017, 960). Nach ihrer Vornahme endet der dem Gerichtsvollzieher erteilte Vollstreckungsauftrag daher nicht schon durch die Rückgabe der Vollstreckungsunterlagen an den Gläubiger (BGH, DGVZ 2019, 238). Die Aufenthaltsermittlung muss erforderlich sein, weil der Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung andernfalls nicht zu rechtfertigen ist (BGH, NJW-RR 2017, 960). Der Gerichtsvollzieher ist auf der durch die Erteilung des Vollstreckungsauftrags begründeten Amtspflicht zur Ausführung desselben verpflichtet, eine erforderliche und mögliche Aufenthaltsermittlung und Ermittlung der Anschrift des Schuldners vorzunehmen. Insoweit kommt ihm kein Ermessen zu (BeckOK/ZPO-Ulrici, § 755 Rn. 8; a. A. LG Verden, DGVZ 2017, 221). Allein der Gläubiger kann die Ermittlungspflicht des Gerichtsvollziehers durch ausdrückliche Weisungen beschränken. Der unbekannte Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners muss Hinderungsgrund für die sofortige Sachpfändung oder den Beginn der Zwangsvollstreckung – insbesondere der Herausgabevollstreckung – sein (Zöller/Seibel, § 755 Rn. 3). Von einem unbekannten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners ist dann auszugehen, wenn der Gläubiger glaubhaft darlegt, dass er ihn nicht kennt, er allgemein unbekannt ist und der Gläubiger selbst Nachforschungen anstellen müsste.

Nicht unbekannt ist jedoch der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt, wenn der Gerichtsvollzieher aus anderen Verfahren gegen den Schuldner oder auf sonstige Weise bereits hinreichende Kenntnis hat oder bei einem Vollstreckungsversuch durch zumutbare Nachfrage an Ort und Stelle (z. B. beim vormaligen Vermieter) nach dem Wohnsitz oder neuen Aufenthaltsort des Schuldners Kenntnis erlangt (Zöller/Seibel, § 755 Rn. 3). Anknüpfungspunkt für die Aufenthaltsermittlung ist regelmäßig die letzte bekannte Anschrift des Schuldners, nach der sich auch die örtliche Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers bestimmt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 GVO). Für den Fall jedoch, dass der Gläubiger keinerlei Informationen über frühere Aufenthalte des Schuldners hat, obliegt die Ermittlung dem für den Wohnsitz des Gläubigers zuständigen Gerichtsvollzieh...

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