Rz. 2

Die Bestimmung gilt grundsätzlich für alle Arten der Zwangsvollstreckung, auch für die Durchsuchung im Wege der Verwaltungsvollstreckung (VG Berlin, Beschluss v. 8.9.2011, 6 M 2.11). Praktisch kommt sie zur Anwendung bei der Pfändung nach den §§ 803 ff. ZPO, der Herausgabevollstreckung nach den §§ 883 ff. ZPO und der Anordnung der Haft (§ 901 ZPO). Ausnahmen des Erfordernisses der richterlichen Anordnung enthält Absatz 2 für die Vollstreckung eines Titels auf Räumung oder Herausgabe von Räumen und die Vollstreckung eines Haftbefehls nach § 802g Abs. 1 ZPO (s. u. Rz. 7 u. 8). Sowohl in den Fällen der richterlich angeordneten Öffnung und Durchsuchung eine Wohnung gem. § 758a Abs. 1 ZPO als auch bei der vom Gerichtsvollzieher auf Grund des Haftbefehls vorgenommenen gemäß § 758a Abs. 2 ZPO gilt in materieller Hinsicht § 758 Abs. 1 ZPO, d. h. die Öffnung und Durchsuchung ist nur zulässig, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Gleiches gilt auch für die Durchsuchung zur Nachtzeit und Sonn- und Feiertagen gemäß § 758a Abs. 4 ZPO, die auch bei Vorliegen eines Haftbefehls einer richterlichen Genehmigung bedarf (LG Berlin, DGVZ 2016, 256). Die Beschränkungen der Bestimmung gelten bei der Vollstreckung eines Titels auf Herausgabe eines Kindes weder hinsichtlich der Durchsuchung noch der Vollstreckung überhaupt, weil §§ 88 ff. FamFG einen entsprechenden Verweis nicht enthalten (OLG Hamm, FamRZ 2020, 1494).

 

Rz. 3

Für § 758a ZPO ist die weite Auslegung des Begriffs der Wohnung, wie ihn das BVerfG zu Art. 13 GG geprägt hat, zu übernehmen. Danach sind "Wohnung" alle Räumlichkeiten, die den häuslichen oder beruflichen Zwecken ihres Inhabers dienen. Darunter fallen auch Arbeits-, Betriebs-, Büro-, Personalaufenthalts- und sonstige Geschäftsräume, selbst dann, wenn der Inhaber dieser Räume eine Handelsgesellschaft oder juristische Person ist (BVerfGE 32, 54; 44, 353; LG München, NJW 1983, 2390; HansOLG Hamburg, NJW 1984, 2898). Dabei gilt der Schutz des Art. 13 GG für alle Räumlichkeiten, die der Schuldner erkennbar der allgemeinen Zugänglichkeit entzogen, als sein befriedetes Besitztum ausgewiesen hat. Schließlich ist es für den Begriff der Wohnung unerheblich, ob der Schuldner die Räume intensiv nutzt oder sich nur zu bestimmten Zeiten (z. B. Ferien- oder Zweitwohnung) in ihnen aufhält.

Ein Leistungsurteil schließt die Erlaubnis für oder die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung nicht ein. Die Erlaubnis kann auch nicht dadurch ersetzt werden, dass sich der Schuldner in einer vollstreckbaren Urkunde der Durchsuchung "unterwirft", sie auf diesem Wege duldet (Zöller/Seibel, § 758a Rn. 3).

Für die Taschenpfändung ist das Einvernehmen des Schuldners oder eine Durchsuchungsanordnung nur dann erforderlich, wenn der Gerichtsvollzieher auf der Suche nach dem Schuldner in die Wohnung desselben eindringen muss; ansonsten steht sie nicht unter diesem Vorbehalt. Die Taschenpfändung in den Räumen Dritter (auch in Geschäftsräumen) erfordert unter den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 GG ebenfalls eine Durchsuchungsanordnung (Zöller/Seibel, § 758a Rn. 5; a. A. Brendel, DGVZ 1982, 181; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, NJW 1984, 2898; OLGSt StGB § 113 Nr. 1 für den Fall der Vollstreckung einer Abgabenschuld in der Gastwirtschaft der Lebensgefährtin des Schuldners; LG Düsseldorf, JurBüro 1987, 454 ebenfalls für die Taschenpfändung in einer Gaststätte mit der Begründung, dass sich diese allein gegen den Schuldner richte und nicht in den Gewahrsam des Dritten eingreife). Zur Zwangsvollstreckung zur Herausgabe beweglicher Sachen (§§ 883, 884 ZPO) ist eine Wohnungsdurchsuchung notwendig, die – sollte die Einwilligung des Schuldners oder Gefahr im Verzuge nicht vorliegen – eine richterliche Durchsuchungsanordnung erfordert. Das gilt auch für die Herausgabe von Gegenständen, die sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung nur in der Wohnung des Schuldners befinden können (z. B. Einrichtungsgegenstände, Küchengeräte etc.). Der richterliche Titel auf Herausgabe schließt die Erlaubnis zum Betreten der Wohnung für die Wegnahmevollstreckung nicht bereits ein (Zöller/Seibel, § 758a Rn. 6).

Hat der Schuldner allerdings nach dem Inhalt des Titels dem Gläubiger Zutritt zu der Wohnung zu gewähren und in ihr bestimmte vorgegebene Handlungen zu dulden, liegt eine Durchsuchung nicht vor mit der Folge, dass eine Anordnung nach § 758a Abs. 1 ZPO nicht notwendig ist (BGH, ZMR 2007, 675 = DGVZ 2006, 179 = NJW 2006, 3352 für den Fall der Sperrung der Gasversorgung; AG Montabaur, DGVZ 2008, 121; LG Dessau, DGVZ 2006, 59 für den Fall des Ausbaus und der Wegnahme eines Gaszählers (a. A. insoweit: AG Neuruppin, WuM 2006, 106; LG Chemnitz, DGVZ 2005, 170); LG Weiden, DGVZ 2008, 120 für den Fall eines Titels auf Duldung der Sperrung eines Stromanschlusses; AG Erkelenz, DGVZ 2007, 74 für den Fall, dass sich der Schuldner in einem gerichtlichen Vergleich ausdrücklich damit einverstanden erklärt hat, dass zum Zwecke der Einstellung der Energieversorgung sein...

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