Rz. 1
Solange ein relatives Veräußerungsverbot, d. h. ein zum Schutz bestimmter Personen bestimmtes Veräußerungsverbot vorliegt, soll (nicht: darf) die Veräußerung des gepfändeten Gegenstands bzw. die Überweisung der Forderung oder eines sonstigen Vermögensrechts nicht erfolgen, weil nämlich der Erwerber an dem Gegenstand nur ein unsicheres Recht erlangen und deshalb ein angemessenes Gebot nicht erzielt werden würde (Zöller/Herget, § 772 Rn. 1). Das Veräußerungsverbot betrifft gesetzliche (§ 135 BGB) und die gleichgestellten gerichtlichen oder sonstigen behördlichen Veräußerungsverbote (§ 136 BGB). Als gesetzliche Veräußerungsverbote (§ 135 BGB) kommen in Betracht: §§ 473, 1128, BGB i. V. m. § 108 VVG; § 284 StPO. Behördliche oder gerichtliche Veräußerungsverbote sind z. B.: §§ 935, 940, § 938 Abs. 2 ZPO bei der einstweiligen Verfügung; § 111c StPO bei der Sicherstellung durch Beschlagnahme (BGH, NJW 2007, 3350; §§ 23, 27 ZVG bei der Zwangsversteigerung und -verwaltung. Keine Anwendung findet § 772 ZPO auf absolute oder vereinbarte Verfügungsbeschränkungen, wie z. B. in den §§ 1365 ff, 2211 BGB oder Verfügungshindernisse wie z. B. in den 1643 ff., 1804 ff. BGB. Ihre Überschreitung führt nämlich zur Unwirksamkeit gegenüber jedermann. Das gilt auch für die in den §§ 80, 81 InsO enthaltenen Verfügungsbeschränkungen, die über § 24 Abs. 1 InsO für die Verfügungsbeschränkungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO entsprechend gelten. Der Verstoß gegen § 89 InsO kann vom Insolvenzverwalter mit der Erinnerung nach § 766 ZPO gerügt werden (BGH-Report 2006, 1554), soweit nicht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist (BGH, NZI 2004, 447). Nicht unter § 772 ZPO fallen auch Vormerkung (§ 883 Abs. 2 BGB) und Widerspruch (§ 899 BGB). § 772 ZPO gilt auch nicht für diejenigen Veräußerungsverbote, die mit der Durchführung einer Pfändung und sonstigen Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung verbunden sind, weil hier der Zugriff der Gläubiger besonders geregelt ist. Gleiches gilt für das vereinbarte Abtretungsverbot (§§ 399 Alt. 2, 413 BGB); auch unter dem Geltungsbereich des § 354a HGB (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 772 Rn. 8) wie auch für § 719 Abs. 1 BGB, wonach der Gesellschafter einer Außen-Personengesellschaft nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen verfügen darf (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, a. a. O. Rn. 9). Die Bestimmung findet Anwendung in der Mobiliar- und Immobiliarvollstreckung. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit im Verwaltungsprozessrecht, im steuerlichen und im Verwaltungsvollstreckungsverfahren wird auf § 167 VwGO, § 262 AO und § 5 VwVG verwiesen.
Rz. 2
Liegt ein solches bedingtes, relatives Veräußerungsverbot vor, darf der Gegenstand, auf den es sich bezieht, zwar gepfändet werden, er soll aber nicht durch Versteigerung (§ 817 ZPO), Eigentumszuweisung an den Gläubiger oder freihändigen Verkauf (als Formen der besonderen Verwertung nach § 825 ZPO), Zwangsversteigerung (§ 35 ZVG) oder, soweit es sich um eine Forderung oder ein sonstiges Vermögensrecht handelt, durch Überweisung (§§ 835, 857 ZPO) veräußert, also verwertet werden (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 772 Rn. 16; Schuschke/Walker, § 772 Rn. 3), falls nicht die Zwangsvollstreckung wegen eines Rechts an der Sache erfolgt, das gegen den Dritten unabhängig vom Veräußerungsverbot wirkt (z. B. Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek, die schon vor dem Verfügungsverbot am Grundstück bestellt war). Die Pfändung und Eintragung einer Sicherungshypothek sowie die Anordnung der Zwangsversteigerung und -verwaltung ist ohne weiteres möglich. Wird entgegen den gesetzlichen oder sonstigen Veräußerungsverboten ein gepfändeter Gegenstand veräußert oder eine Forderung überwiesen, so ist das dem Geschützten gegenüber (relativ) unwirksam. Der Erwerber ist auch nicht nach § 135 Abs. 2, § 932 BGB geschützt, da die genannten Vorschriften lediglich für den rechtsgeschäftlichen Erwerb gelten und beim Erwerb in der Zwangsvollstreckung keine Anwendung finden können. Die Zustimmung des Dritten macht die Verwertung rechtmäßig. In diesem Fall kann weder durch den Schuldner noch vom Dritten unter Berufung gegen diese vorgegangen werden (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 772 Rn. 17). Kommt es z. B. bei der einstweiligen Verfügung zu einer Beendigung des Veräußerungsverbots, entfällt das Verwertungsverbot und auch die Befugnis nach Satz 2 zu intervenieren.