Rz. 1
Die Zwangsvollstreckung gegen den/die Erben des Titelschuldners ist in der Zivilprozessordnung recht unübersichtlich geregelt. So richtet sich die Fortsetzung einer bereits begonnenen Zwangsvollstreckung nach § 779 ZPO und die Umschreibung eines Titels, aus dem die Zwangsvollstreckung demnächst begonnen werden soll nach § 727 ZPO. Aus den Bestimmungen der §§ 747 bis 749 ZPO folgt, gegen wen sich die Zwangsvollstreckung richten muss, wenn der Titel sich gegen eine ungeteilte Erbengemeinschaft oder im Falle der Testamentsvollstreckung ausgestellt ist. Die Vorschrift des § 778 ZPO (wie auch die §§ 779 bis 785 ZPO) behandelt die Zwangsvollstreckung gegen den Erben und in den Nachlass und befassen sich mit der Behandlung der unterschiedlichen in Betracht kommenden Haftungsmassen (Nachlass und Eigenvermögen des/der Erben). Dabei ist § 778 ZPO eine (notwendige) Ergänzung der §§ 747 bis 749 ZPO. Geregelt werden die verfahrensrechtlichen Auswirkungen, die sich aus der nur vorläufigen Rechtsstellung des Erben bis zur Annahme der Erbschaft ergeben. Anwendbar ist die Vorschrift auf alle Arten der Zwangsvollstreckung, auch auf die Arrestvollziehung (§ 928 ZPO). Die Bestimmung des § 778 ZPO gilt für alle Erben, für die die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft gem. § 1944 BGB noch nicht verstrichen ist. Im Falle der Erbengemeinschaft ist die Anwendung des § 778 ZPO für jeden (Mit-)Erben getrennt zu prüfen. Nach § 788 ZPO ist vor Annahme der Erbschaft
- gemäß Abs. 1 eine Zwangsvollstreckung wegen eines gegen den Nachlass gerichteten Anspruchs nur in den Nachlass und nicht in das Eigenvermögen des/der (vorläufigen) Erben zulässig und
- gemäß Abs. 2 die Zwangsvollstreckung der Eigengläubiger des/der (vorläufigen) Erben in den Nachlass nicht zulässig.
Hat die Zwangsvollstreckung indes bereits zu Lebzeiten des Erblassers begonnen, kann diese nach Maßgabe des § 779 ZPO in den Nachlass fortgesetzt werden.
Die unterschiedliche Behandlung der beiden Haftungsmassen (Nachlass und Eigenvermögen des/der Erben) nach der Bestimmung endet, wenn der/die Erben die Erbschaft angenommen haben. Nach der Annahme vereinigen sich die beiden Vermögensmassen (Nachlass und Eigenvermögen) auch für die Zwecke der Zwangsvollstreckung zu einer "Haftungsmasse" (BeckOK/ZPO-Preuß, § 778 Rn. 3).
Rz. 2
Der Erbe kann die Erbschaft ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten (z. B. die Beantragung eines entsprechenden Erbscheins, den Verkauf von Gegenständen des Nachlasses pp.) schon während der Ausschlagungsfrist (§ 1944 Abs. 1 und 3 BGB) annehmen (§ 1943 1. Halbsatz BGB). Mit dem Ablauf der Ausschlagungsfrist gilt die Erbschaft auch ohne jedwede Erklärung als angenommen (§ 1943 2. Halbsatz BGB). Ansprüche, "die sich gegen den Nachlass richten" (Absatz 1), sind ausschließlich die sog. Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB, nämlich die vom Erblasser herrührenden Schulden (sog. Erblasserschulden), die mit dem Erbfall entstehenden Verbindlichkeiten (sog. Erbfallschulden) und die durch die Abwicklung des Nachlasses entstehenden Schulden (sog. Nachlasskosten- oder Erbschaftsverwaltungsschulden). Davon streng zu trennen sind die Schulden des Erben, die unabhängig von seiner Stellung als Erbe vor oder auch nach dem Erbfall entstanden sind (sog. Eigenschulden des Erben).
Rz. 3
Hinterlässt der Erblasser – wie gewöhnlich – mehrere Erben, so kann der eine Miterbe vorläufiger, der andere Miterbe dagegen endgültiger Erbe sein, denn für jeden der Miterben läuft eine gesonderte Ausschlagungsfrist, und jeder der Miterben kann die Erbschaft annehmen oder auch ausschlagen. Deshalb ist der Schutz des § 778 ZPO für jeden der Miterben gesondert zu prüfen. Der vorläufige Miterbe genießt den Schutz, der endgültige Miterbe verliert ihn. Bei Bestehen einer Miterbengemeinschaft ist Abs. 2 ohne Bedeutung, weil ein Privatgläubiger ohne einen gegen alle Miterben gerichteten Titel nicht in den ungeteilten Nachlass die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 747 ZPO).