1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Bestimmung sichert die Fortsetzung einer aus einer Nachlassverbindlichkeit herrührenden Zwangsvollstreckung. Die Hauptbedeutung der Vorschrift, die eine gewisse Erleichterung gegenüber § 750 ZPO bedeutet, liegt darin, dass der Titel nicht gegen den/die Erben umgeschrieben (§ 727 ZPO) zu werden braucht (vgl. AG Bremen, JurBüro 2015, 209), sondern ohne weiteres der (weiteren) Zwangsvollstreckung zugrunde gelegt wird. Der Tod des Schuldners soll die einmal begonnene Zwangsvollstreckung weder behindern noch verzögern. Die Vorschrift ist anwendbar auf jede Art der Zwangsvollstreckung in den Nachlass. Bei der Zwangsvollstreckung aus verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gilt § 779 ZPO entsprechend (§ 167 Abs. 1 VwGO). Ausgenommen ist die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen, die gegen den Erben selbst zu erfolgen hat (h. M. OLG Hamm, MDR 1986, 156; a. A. für die Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 779 Rn. 2). Im Falle der Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 ZPO gilt die Erklärung als mit Rechtskraft abgegeben, auch wenn der Schuldner vor dem Eintritt der Rechtskraft verstorben ist (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 779 Rn. 2). Handelte es sich bei der begonnenen Maßnahme der Zwangsvollstreckung gegen den später verstorbenen Schuldner um den Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek oder denjenigen auf Zwangsversteigerung und war zur Zeit der Erledigung des Antrags noch die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung des Schuldners als Eigentümer erforderlich (§ 17 ZVG; § 39 GBO), so kann diese Eintragung auch noch nach dem Tode des Schuldners erfolgen (Schuschke/Walker, § 779 Rn. 1). § 779 ZPO ist auf die Gesamtrechtsnachfolge aufseiten der Gläubiger nicht entsprechend anwendbar (BGH, NJW 2007, 3357). Die Bestimmung gilt auch nicht für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Schuldner persönlich (dessen Eigenvermögen) richten.
Im Einzelnen umstritten ist es, ob und inwieweit die Bestimmung auf Vollstreckungen nach den §§ 887 ff. ZPO anwendbar ist. Nach wohl herrschender und zutreffender Meinung (vgl. BeckOK/ZPO-Preuß, § 779 Rn. 2 m. w. N.; Zöller/Geimer, § 779 Rn. 2) kann lediglich die Vollstreckung nach § 887 ZPO (Vornahme einer vertretbaren Handlung) nach § 779 ZPO fortgesetzt werden. Bei der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO ist die Fortsetzung deshalb möglich, weil eine "Vollstreckung in den Nachlass" im Wege der Beitreibung eines nach § 887 Abs. 2 ZPO festgesetzten Kostenvorschusses bzw. durch die tatsächliche Einwirkung auf die Nachlassgegenstände möglich ist (BeckOK/ZPO-Preuß a. a. O.). Demgegenüber hat sich die begonnene Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO oder § 890 ZPO mit dem Tod des Schuldners erledigt, weshalb eine Fortsetzung der Vollstreckung nach § 779 ZPO nicht in Betracht kommt. Nach anderer Auffassung (vgl. MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 779 Rn. 2) fällt jede Art der Zwangsvollstreckung unter die Regelung des § 779 ZPO, also auch die Vollstreckung nach den §§ 888, 890 ZPO.
2 Beginn der Zwangsvollstreckung (Absatz 1) – Inhalt der Regelung
Rz. 2
Voraussetzung ist, dass die Zwangsvollstreckung begonnen hatte und der Schuldner alsdann verstorben ist. Darauf, ob die Erbschaft angenommen wurde, kommt es nicht an. Wegen der Bestimmung des § 779 Abs. 1 ZPO führt der Tod des vormaligen Vollstreckungsschuldners (des Erblassers) zu keiner Unterbrechung oder etwaigen Aussetzung des Verfahrens der Zwangsvollstreckung nach den §§ 239 oder 246 ZPO. Vielmehr wird die begonnene Zwangsvollstreckung in den Nachlass fortgesetzt (BGH, NJW 2020, 1143). Die Zwangsvollstreckung hat dann begonnen, wenn vor dem Tode des Schuldners eine erste Vollstreckungshandlung erfolgt ist (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 779 Rn. 5). Fehlt es daran, so muss die Zwangsvollstreckung in den Nachlass (§ 778 ZPO) ebenso wie die in das Eigenvermögen des Erben als Vollstreckung gegen den Erben begonnen werden. Dazu bedarf es dann der Umschreibung des Titels nach § 727 ZPO. Ist der Schuldner einer unvertretbaren Handlung mit einem Zwangsgeld belegt worden und verstirbt er danach, kann die Zwangsvollstreckung nicht in den Nachlass fortgesetzt werden; das Verfahren hat sich vielmehr erledigt (OLG Köln, InVo 2002, 346).
Rz. 3
Die Fortsetzung der begonnenen Zwangsvollstreckung ist in den gesamten Nachlass zulässig. Die Vollstreckung kann nach dem Tode des Schuldners ohne Titelumschreibung in dessen Nachlass fortgesetzt werden, wenn aufgrund des Vollstreckungstitels bereits zu Lebzeiten des Schuldners in dessen Vermögen vollstreckt worden ist (LG Stuttgart, DGVZ 1987, 12). Fortsetzung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass bedeutet nicht nur Fortsetzung von einzelnen begonnenen Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. BeckOK/ZPO-Preuß, § 779 Rn. 4). Vielmehr können alle gegen den Nachlass gerichteten Vollstreckungsakten, die sich auf den nämlichen Titel stützen, aus dem die Zwangsvollstreckung begonnen wurde, vorgenommen werden (BGH, NJW 2010, 157). Ebenso kann die Vollstreckung auf Gegenstände e...