2.1.1 Erforderlichkeit
Rz. 6
Die Maßnahmen müssen zur Vollstreckung erforderlich sein. Mit diesem Erfordernis sollen unnötige Datenerhebungen in den Fällen verhindert werden, in denen nach den Umständen des Einzelfalls aus der jeweils begehrten Drittauskunft keine verwertbaren Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind (BGH, DGVZ 2022, 191), ebenso, dass unverhältnismäßig in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird. Das Auskunftsrecht soll auf Fälle beschränkt werden, in denen durch die zusätzlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind. Somit haben die verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Gläubiger und das öffentliche Interesse an einer wirksamen Zwangsvollstreckung gegenüber dem Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 2015, 2509; BGH, DGVZ 2022, 191). Insofern bleibt unter Berücksichtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Schuldners sowie in Abwägung mit den Gläubiger- und Allgemeininteressen an einer zügigen und erfolgreichen Vollstreckung die Einholung von Fremdauskünften subsidiär gegenüber der Einholung einer Selbstauskunft des Schuldners (BT-Drucks. 16/10069 S. 31). Drittauskünfte beziehen sich daher ausschließlich auf Daten, die der Schuldner bereits zuvor in der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO hätte angeben müssen und die er durch eidesstattliche Versicherung als richtig bestätigt hätte (vgl. BGH, WM 2015, 1422 = NJW 2015, 2509 = MDR 2015, 1038). Die Drittauskünfte gehen daher nicht weiter als die durch den Schuldner selbst abgegebene Vermögensauskunft. Wird z. B. durch die Angaben des Schuldners deutlich, dass neben der bereits angegebenen Beschäftigung schon zeitlich kein weiteres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehen kann, ist es nicht erforderlich, Daten zu erheben. Ebenso wird es nur ausnahmsweise erforderlich sein, Fahrzeug- und Halterdaten beim Kraftfahrzeug-Bundesamt abzufragen, wenn feststeht, dass der Schuldner keine Fahrerlaubnis hat. Danach ist es nur so lange erforderlich, Angaben in der ggf. abgegebenen Vermögensauskunft durch Drittauskünfte zu überprüfen, wie nicht durch Schuldnerangaben oder sonst offensichtlich deutlich wird, dass die Drittauskünfte keine Erkenntnisse für die Zwangsvollstreckung des Gläubigers erbringen können.
2.1.2 Zulässigkeit
Rz. 7
Die Einholung von Drittauskünften ist nur dann zulässig,
- wenn eine Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft wegen unbekannten Aufenthalts des Schuldners nicht möglich ist (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1)
- wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt (Abs. 1 Satz Nr. 2) oder
- bei einer Vollstreckung in die im Vermögensverzeichnis aufgeführten Gegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten ist (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3).
Für die Zulässigkeit genügt es, wenn eine der Voraussetzungen nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 erfüllt ist (BT-Drucks. 19/27636, 27).
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet, die vom Gläubiger begehrten Drittauskünfte einzuholen. Ihm steht im Hinblick auf die zu schützenden Grundrechte des Gläubigers kein Ermessen zu (BT-Drucks. 16/10069 S. 32; BGH, DGVZ 2018, 62 = Vollstreckung effektiv 2018, 57 u. 73; AG Hof Vollstreckung effektiv 2015, 20; LG Aachen DGVZ 2015, 113; LG Magdeburg DGVZ 2014, 224; vgl. auch Rz. 1). Die Verpflichtung erstreckt sich jedoch nicht darauf zu überprüfen, ob die eingeholten Auskünfte inhaltlich richtig sind (LG Münster, DGVZ 2020, 130; AG Steinfurt, Beschluss v. 17.2.2020, 36 M 1089/19, BeckRS 2020, 3132).