1 Allgemeines
Rz. 1
Zweck der Regelung ist es, die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung für den Gläubiger (gilt auch für Vollstreckungsbehörden; LG Stuttgart, DGVZ 2018, 215) durch die ergänzende Einholung von Fremdauskünften wirkungsvoll zu stärken. Die Bestimmung ermöglicht es, Auskünfte bei Dritten einzuholen, bei denen nach der Lebenserfahrung typischerweise Informationen zu Vermögenswerten des Schuldners vorliegen (BGH, DGVZ 2022, 191). Die Drittauskunft ist geeignet, erforderlich und angemessen, um legitime Zwecke des Gläubigerschutzes und einer effizienten Zwangsvollstreckung zu verwirklichen (BT-Drucks. 16/10069 S. 32). Sie stellt lediglich eine zusätzliche Informationsmöglichkeit für den Gläubiger dar, die er bei der Vollstreckung nutzen kann, jedoch nicht nutzen muss. Dadurch kann der Gläubiger Unrichtigkeiten der vom Schuldner in der Vermögensauskunft abgegebenen Selbstauskunft aufdecken. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, ist der Gerichtsvollzieher dazu verpflichtet, die vom Gläubiger begehrten Drittauskünfte einzuholen (§ 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO; BGH WM 2015, 1422 = NJW 2015, 2509).
Rz. 2
Die Möglichkeit zur Einholung von Drittauskünften steht systematisch selbständig neben der Einholung der Vermögensauskunft des Schuldners gem. § 802c ZPO (vgl. BT-Drucks. 19/27636, 27). Dies zeigt auch die Aufzählung der Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers in § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO; das Verfahren stellt daher keinen Annex zum Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft dar (vgl. BGH, DGVZ 2018, 62 = Vollstreckung effektiv 2018, 57 u. 73; BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 204 = FoVo 2018, 227; a. A. AG Bremen, JurBüro 2016, 154).
Rz. 3
Die Regelung ist seit dem 1.11.2022 hinsichtlich Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 auch im Insolvenzverfahren anwendbar (vgl. § 98 Abs. 1a Satz 1, 2 InsO; BGBl I 2021, 850).
2 Datenerhebungsbefugnis des Gerichtsvollziehers (Abs. 1)
Rz. 4
Abs. 1 wurde durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit Wirkung zum 1.1.2022 geändert (BGBl I 2021 S. 850). Die Norm gibt dem Gerichtsvollzieher bei Vorliegen engerVoraussetzungen die Befugnis bei bestimmten Institutionen Daten abzurufen. Hierdurch werden weitergehende Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Schuldners nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ermöglicht (BT-Drucks. 19/27636, 26). Ein solcher Eingriff ist durch das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht des Gläubigers auf eine effektive Zwangsvollstreckung wegen seiner Forderung und auf den Justizgewährleistungsanspruch nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gerechtfertigt.
Zuständig ist der Gerichtsvollzieher, in dessen Bezirk der Schuldner zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch den Gläubiger wohnt (§ 14 GVO, § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 GVGA; AG Bremen, JurBüro 2016, 154); unrichtig daher AG Heilbronn (DGVZ 2018, 18), das der Ansicht ist, dass der ursprünglich mit Abnahme der Vermögensauskunft beauftragte Gerichtvollzieher zuständig bleibt. Das AG Heilbronn verkennt dabei, dass der Antrag auf Vermögensauskunft gerade keinen Annex zum Antrag auf Einholung von Drittauskünften darstellt (vgl. BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 204 = FoVo 2018, 227). In § 802c ZPO geht es um die Verpflichtung des Schuldners selbst zur Auskunft über sein Vermögen. Dagegen ist in § 802l ZPO nicht die Auskunft des Schuldners selbst, sondern diejenige von Dritten geregelt, bei denen typischerweise Informationen über die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu erwarten sind (BGH, DGVZ 2018, 62 = Vollstreckung effektiv 2018, 57 u. 73).
Rz. 5
Das Auskunftsersuchen hat die Angabe des vollständigen Namens des Schuldners, d. h. Angabe aller Namensbestandteile, zu enthalten (AG Bernburg, DGVZ 2022, 89). Der Gerichtsvollzieher ist zum Schutze der Belange etwaiger mit dem Schuldner namensgleicher Personen, insbesondere deren Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, dazu verpflichtet, den Schuldner – um dessen Identifizierung sicherzustellen – so genau wie möglich zu bezeichnen (z. B. zur Angabe des Geburtsdatums vgl. AG Hamburg-Barmbek, DGVZ 2020, 19; AG Schwerin, DGVZ 2022, 44).
2.1 Voraussetzungen
2.1.1 Erforderlichkeit
Rz. 6
Die Maßnahmen müssen zur Vollstreckung erforderlich sein. Mit diesem Erfordernis sollen unnötige Datenerhebungen in den Fällen verhindert werden, in denen nach den Umständen des Einzelfalls aus der jeweils begehrten Drittauskunft keine verwertbaren Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind (BGH, DGVZ 2022, 191), ebenso, dass unverhältnismäßig in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird. Das Auskunftsrecht soll auf Fälle beschränkt werden, in denen durch die zusätzlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind. Somit haben die verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Gläubiger und das öffentliche Interesse an einer wirksamen Zwangsvollstreckung gegenüber dem Eingriff in das Recht des Sch...