1 Normzweck
Rz. 1
Die Norm bestimmt, wie die Pfändung in körperliche Sachen, die im Gewahrsam des Schuldners sind, zu erfolgen hat. Der Unterschied der Pfändung nach der Regelung zu derjenigen nach § 809 ZPO besteht lediglich darin, dass bei letzterer an die Stelle des Gewahrsams des Schuldners derjenige eines herausgabebereiten Dritten tritt (BGH, NJW 1981, 1835).
Rz. 2
Der Gewahrsam des Schuldners an einer Sache begründet eine gesetzliche Vermutung, dass dieser Gegenstand auch dem Vermögen des Schuldners zuzurechnen ist. Der Gerichtsvollzieher darf deshalb von einer Pfändung grundsätzlich nur absehen, wenn offensichtlich Dritteigentum vorliegt. Die Offensichtlichkeit des Dritteigentums muss sich dabei aus tatsächlichen Umständen ergeben. Dies ist nicht der Fall, wenn sich solches erst aus einem vom Schuldner vorgelegten Sicherungsvertrages ergibt, da dessen rechtliche Prüfung nicht zu den Aufgaben des Gerichtsvollziehers zählt (AG Reinbek, DGVZ 2011, 55 = FoVo 2011, 158; AG Bühl DGVZ 2010, 174).
2 Anwendungsbereich
Rz. 3
Die Regelung ist ausschließlich bei beweglichen Sachen (§ 90 BGB i. V. m. § 865 ZPO), die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, anzuwenden. Hierunter fallen auch Bauten, die von einem Mieter oder Pächter für die Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses errichtet worden sind. Diese stellen Scheinbestandteile i. S. v. § 95 BGB dar, die der Sachpfändung unterliegen (AG Pirna, DGVZ 1999, 63). Befinden sie sich im Gewahrsam eines Dritten oder des Gläubigers selbst, gilt § 809 ZPO. Bewegliche Gegenstände, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nach § 864 ZPO unterliegen, sind dem Anwendungsbereich des § 808 ZPO entzogen. Dabei handelt es sich insb. um Bestandteile eines Grundstücks und dessen Zubehör. Wertpapiere (z. Begriff vgl. § 821 Rn. 2) unterliegen ebenfalls dem Anwendungsbereich, werden jedoch nach den spezielleren Regelung der §§ 821, 822, 835 ZPO verwertet. Legitimationspapiere (z. Begriff vgl. § 821 Rn. 5) werden i. R.d. sog. Hilfspfändung gem. §§ 836 Abs. 3, 883 ZPO, 106 GVGA durch den Gerichtsvollzieher weggenommen. Forderung und Rechte werden nach §§ 828ff. ZPO gepfändet. Besonderheiten gelten ferner bei Haustieren (§ 811c ZPO), sowie bei Miteigentumsanteilen. Letztere werden nach §§ 828, 857 Abs. 1 ZPO gepfändet. Nicht anzuwenden ist die Regelung ferner i. R.d. Vermögensabschöpfung im Strafverfahren (AG Rosenheim. DGVZ 2002, 45).
3 Voraussetzung der Pfändung – Gewahrsamsprüfung
Rz. 4
Der Schuldner muss sich im Gewahrsam der körperlichen Sachen befinden (vgl. § 70 Abs. 1 GVGA). Dies hat der Gerichtsvollzieher von Amts wegen zu prüfen. Vor diesem Hintergrund handelt ein Gläubiger grundsätzlich nicht pflichtwidrig, wenn er die Pfändung eines Gegenstandes beantragt, sofern er hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass sich dieser im Gewahrsam des Schuldners befindet. Er hat insbesondere keine Verpflichtung zu einer über jene des Gerichtsvollziehers hinausgehende "Vorprüfung" der Eigentumsverhältnisse. Der Gläubiger darf grundsätzlich davon ausgehen, dass der Gerichtsvollzieher seinen Amtspflichten gemäß seinerseits prüft, ob ein Gewahrsam i. S. der Vorschrift tatsächlich besteht. Etwas anderes gilt allein dann, wenn der Gläubiger den Gerichtsvollzieher zur Pfändung bestimmter Gegenstände anweist, obwohl er weiß, dass diese nicht zum Vermögen des Schuldners gehören oder jedenfalls ohne Weiteres hätte erkennen können, dass dies nicht der Fall ist (AG Hamburg-Barmbek, ZInsO 2013, 1967).
Gewahrsam des Schuldners ist gegeben, wenn diejenigen Personen, die den Besitz wahrnehmen oder ausüben, zwar nicht mit dem Vollstreckungsschuldner identisch sind, die Besitzwahrnehmung oder Besitzausübung dem Schuldner aber wegen der besonderen Beziehungen, die zwischen ihm und den besitzwahrnehmenden oder besitzausübenden Personen bestehen, zuzurechnen ist (KG, NJW 1977, 1160). Gem. § 70 Abs. 1 Satz 5 GVGA sind Sachen, an denen der gesetzliche Vertreter des Schuldners Gewahrsam hat, so zu behandeln, als übe der Schuldner den Gewahrsam aus. Im Hinblick auf die Pfändung eines Kraftfahrzeugs gilt für den im Fahrzeugregister eingetragenen Fahrzeughalter eine widerlegliche Gewahrsamsvermutung (AG Schöneberg, DGVZ 2012, 210 = KKZ 2013, 133).
Rz. 5
Das aufgrund des Gesetzesvorbehaltes öffentlichen Handelns streng formalisierte Vollstreckungsverfahren verlangt leicht überschaubare Merkmale, die den Schluss auf die Rechtszugehörigkeit des Vollstreckungsobjekts zum Vermögen des Schuldners – oder eben eines anderen – zulassen. Für den Gewahrsamsbegriff des Vollstreckungsrechts genügt nicht die tatsächliche Sachherrschaft allein. Eine solche muss vielmehr in einer äußerlich (leicht) erkennbaren Weise gerade der Person zugeordnet werden können, auf die es ankommt (LG Frankfurt, MDR 1988, 504). Gewahrsam i. S. d. § 808 ZPO meint zwar i. d. R. die tatsächliche Sachherrschaft, ist aber strikt vom materiellen Besitz (vgl. § 854 Abs. 1 BGB) abzugrenzen. Dabei ist keineswegs in Frage zu stellen, dass es zwischen diesen beiden Begriffen Ähnlichkeiten und Parallelen gibt, die zur Auslegun...