1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Vorschrift bestimmt, dass die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher (grundsätzlich) als Zahlung des Schuldners gilt. Sie entspricht § 815 Abs. 3 ZPO für die Geldpfändung und erschöpft sich (wie diese) in der Regelung der Gefahrtragung.
2 Rechtsfolgen der Empfangnahme des Erlöses
Rz. 2
Von der Empfangnahme an trägt der Gläubiger die Gefahr für den Verlust (und auch die Unterschlagung) des Geldes. Nicht angeordnet werden dagegen die Erfüllung des Gläubigeranspruchs nach materiellem Recht sowie der Übergang des Eigentums. Eigentum erlangt der Gläubiger daher erst mit Ablieferung an ihn. Nur diese hat Erfüllungswirkung. Bis dahin gebühren dem Gläubiger daher fortlaufende (ohne Endzeitpunkt titulierte) Zinsen (Zöller/Herget, § 819 ZPO, Rn. 1). Mit der Empfangnahme des vom Meistbietenden oder Erwerber im Wege der freihändfigen veräußerung (§ 825 ZPO) gezahlten Erlöses durch den Gerichtsvollzieher und Ablieferung an den Gläubiger setzen sich die bisherigen Rechte an dem Pfandstück am Geld fort (Surrogationsgrundsatz): der bei der Versteigerung erzielte Erlös fällt mit der Aushändigung an den Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verteilung bis zur Ablieferung an die Vollstreckungsgläubiger in das Eigentum des Vollstreckungsschuldners (BGH, NJW 2013, 2519 = MDR 2013, 1000 = ZIP 2013, 2125); der Gläubiger, der an der Sache ein Pfändungspfandrecht hatte, erwirbt ein solches am Geld. Bestanden an der Sache sonstige Rechte Dritter, setzen sie sich am Geld fort. Das Geld ist sogleich öffentlich-rechtlich beschlagnahmt (verstrickt). Verteilung des Erlöses erfolgt durch den GV im ZwV-Verfahren; in diesem können nur der beizutreibende Anspruch des Gläubigers und das als Anspruch auf den Übererlös fortbestehende Eigentum des Schuldners Berücksichtigung finden. Ansprüche Dritter auf den Erlös sind als die Veräußerung hindernde Rechte mit Klage (§ 771 ZPO; bei Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO) geltend zu machen (vgl. Zöller/Herget, § 819 Rn. 3 m. w. N.).
Die Zahlungsfiktion gilt dann nicht, wenn dem Schuldner nachgelassen ist, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden. Die Gefahr des Verlustes trägt dann der Schuldner. Ebenso bewirkt die vorläufige Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils nicht die materiell-rechtliche Erfüllung und führt bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht zur endgültigen Tilgung im Sinne der Vorschrift (BAG, BAGE 139, 181 = NZA 2012, 145 = MDR 2012, 415 = NJW 2012, 1387 = ZIP 2012, 1046).
3 Beendigung der Zwangsvollstreckung
Rz. 3
Bis zur Auskehr (Eigentumsverschaffung) des Erlöses (Geldes) ist die Zwangsvollstreckung nicht beendet (vgl. Rz. 2). Dritte, die an der abgelieferten Pfandsache ein die Veräußerung hinderndes Recht (§ 771 ZPO) haben, können dieses hinsichtlich des Erlöses geltend machen; Entsprechendes gilt für das Recht auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO). Mängel des Vollstreckungsverfahrens, allerdings nur solche, die noch auf die Auskehr Auswirkungen haben können, können noch mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden. War z. B. das abgelieferte Pfandgut unpfändbar (§ 811 Abs. 1 ZPO), führt die Erinnerung dazu, dass eine Auskehr nicht mehr stattfinden darf. Gegen die Ablieferung des Pfandgutes kann nicht mehr vorgegangen werden (h. M.). Anschlusspfändungen von Gläubigern des Schuldners in den Erlös sind nach § 826 ZPO möglich. Sie betreffen dann einen eventuellen Übererlös.
Rz. 4
Allerdings kann ein Dritter (als Gläubiger des Gläubigers, der den Erlös aus der Versteigerung zu erhalten hat) "den Anspruch des Gläubigers gegen den Gerichtsvollzieher auf Auskehr des Erlöses" ebenso wenig pfänden wie das Pfändungspfandrecht am Geld. Pfändbar ist allerdings die Vollstreckungsforderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner (als Drittschuldner); ihre Pfändung erfasst dann als Nebenrecht mit dem Pfandrecht auch den Anspruch auf Auszahlung des Versteigerungserlöses (vgl. Zöller/Stöber, § 819 Rn. 5 m. w. N.).
4 Die Auskehr des Erlöses
Rz. 5
Wie der Gerichtsvollzieher im Einzelnen mit dem erlangten Erlös zu verfahren hat, bestimmt § 118 Abs. 2 GVGA. Aus dem Erlös sind vorweg ein im Wege der (vorläufigen) Austauschpfändung dem Schuldner zu erstattender Ersatzbetrag (§§ 74, 75 GVGA) sowie die Verfahrenskosten gem. § 15 Abs. 1 GvKostG zu entnehmen. Danach ist der Betrag, der dem Gläubiger zusteht, einschließlich der Zinsen und Kosten anzusetzen und der Überschuss festzustellen, der dem Schuldner verbleibt. Reicht der Erlös zur Deckung der Forderung des Gläubigers nicht aus, so ist er zunächst auf die Vollstreckungskosten, sodann auf die übrigen Kosten des Gläubigers, auf die Zinsen der beizutreibenden Forderung und schließlich auf die Hauptleistung zu verrechnen (§ 367 BGB), es sei denn, dass die Anrechnung der Teilleistung nach § 497 Abs. 3 BGB vorzunehmen ist. Wird der Gläubiger nicht voll befriedigt, so muss die Berechnung ergeben, welche von diesen Forderungsarten ungetilgt bleiben. Reicht im Fall der Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe der Erlös nicht zur Befriedigung des Gläubiger...