Rz. 1
Der Gesetzgeber erkennt in § 844 ZPO an, dass es Fallkonstellationen geben kann, in denen eine von § 835 Abs. 1 ZPO abweichende Verwertungsart angezeigt sein kann. Dies ist der Fall, wenn die gepfändete Forderung bedingt oder betagt oder ihre Einziehung wegen der Abhängigkeit von einer Gegenleistung oder aus anderen Gründen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, führt dies aber nicht schon als solches dazu, dass der Gläubiger zu einer anderen Verwertungsart befugt ist, er die Forderung also z. B. veräußern darf. Vielmehr bedarf es hierzu eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts (vgl. Rz. 5). Dies beruht darauf, dass sich die Rechtfertigung einer anderweitigen Verwertung nicht nur nach dem Interesse des Gläubigers an der alsbaldigen Befriedigung beurteilt, sondern auch nach dem schutzwürdigen Interesse des Schuldners, der den Pfandgegenstand nicht verschleudert sehen möchte (BGH, WM 2019, 685; OLG Stuttgart, DGVZ 1964, 182; hinsichtlich GmbH-Geschäftsanteil vgl. OLGR Düsseldorf 2001, 129; Stöber, Rn. 1466). .
Das Vollstreckungsgericht ist auch dann nicht verpflichtet ist, dem Antrag auf Anordnung anderweitiger Verwertung stattzugeben, wenn bei Ablehnung des Antrags die Verwertung (zunächst) scheitert (vgl. OLG Stuttgart, DGVZ 1964, 182; Noack, MDR 1970, 890; Polzius, DGVZ 1987, 33) oder wenn erhebliche Schwierigkeiten für die Errechnung eines Mindestpreises bestehen; dann ist im Interesse vor allem des Schuldners eine Anordnung abzulehnen (OLG Stuttgart, DGVZ 1964, 182; Noack, MDR 1970, 890). Dies folgt aus dem im Zwangsvollstreckungsrecht gegebenen Gebot rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
Rz. 2
In der Praxis kommt die Anordnung nach dieser Vorschrift lediglich in wenigen Fällen vor. Sie ist – hauptsächlich – praktisch geboten bei der Pfändung von Geschäftsanteilen einer GmbH (zur Verwertung des gepfändeten GmbH-Geschäftsanteils vgl. auch Vollstreckung effektiv 2006, 187; Goebel, Vollstreckung effektiv 2002, 164). Entweder kann sich der Gläubiger wegen einer Überweisung des Geschäftsanteils deshalb nicht befriedigen, weil er wegen des Fehlens eines gesellschaftsvertraglich vereinbarten Kündigungsrechts (§ 60 Abs. 1 GmbHG) nicht die Liquidation der Gesellschaft betreiben kann oder, wenn die Kündigung nach § 60 Abs. 2 GmbHG vorgesehen ist, weil die Liquidation der Gesellschaft gegenüber der Veräußerung des Anteils regelmäßig unwirtschaftlich ist (MünchKomm/ZPO-Smid, § 844 Rn. 1). Der Geschäftsanteil einer GmbH kann nicht zugleich mit der Pfändung überwiesen werden; über die Verwertung des Geschäftsanteils ist vielmehr gesondert zu entscheiden (LG Berlin Rpfleger 1987, 379; vgl. auch LG Gießen MDR 1986, 155; OLG Frankfurt/Main, BB 1976, 1147). Wurde ein Geschäftsanteil an einer GmbH gepfändet und bereitet die Berechnung des Mindestpreises erhebliche Schwierigkeiten, so kann die beantragte Versteigerung des Geschäftsanteils wegen der Gefahr der Verschleuderung des Schuldnervermögens abgelehnt werden (OLG Düsseldorf, InVo 2000, 315 = Rpfleger 2000, 400).