Rz. 17
Gem. Abs. 3 lit. a sind Bezüge, die ein Arbeitnehmer zum Ausgleich für Wettbewerbsbeschränkungen für die Zeit nach Beendigung seines Dienstverhältnisses beanspruchen kann, dem Arbeitseinkommen gleichgestellt (vgl. OLG Rostock, NJW-RR 1995, 173; Karenzentschädigungen), z. B. gem. §§ 74, 82a, 89b, 90a HGB; § 133 GewO. Wird diese Entschädigung allerdings nicht in fortlaufenden Raten, sondern als einmaliger Betrag ausgezahlt, findet die Vorschrift keine Anwendung. Der Pfändungsschutz bestimmt sich dann nach § 850i ZPO.
Rz. 18
Der Pfändungsschutz der Altersvorsorge besteht auch für private Vorsorgeverträge eines Selbständigen, es sei denn, es werden durch eine Abtretung die Bezugsrechte der Lebensversicherung widerrufen und somit im Weiteren der versorgungsrechtliche Charakter aufgehoben. Der Pfändungsschutz besteht nicht bei einer Versicherung, nach der nur die Möglichkeit und nicht eine tatsächlich vereinbarte Kapitalabfindung (Ausnahme: § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO) besteht (BFH, NJW 1992, 527 m. w. N.; BFH, Rpfleger 2007, 672 = BB 2007, 2275 = WM 2007, 2332 = RuS 2007, 514 = FamRZ 2007, 2068 = InVo 2007, 505 = JurBüro 2008, 44 = KKZ 2008, 157 = VersR 2008, 1279 = ZAP EN-Nr 761/2007 = ZIP 2007, 2008 = DB 2007, 2354 = DStR 2007, 1817; FG München, Versicherung und Recht kompakt 2011, 163; LG Dortmund, Urteil v. 20.1.2009, 2 O 153/08), ebenso nicht bei Versicherungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung (hier gilt § 54SGB I), und Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen (OLG Oldenburg, NJW-RR 1994, 479). Hinsichtlich Renten aus Körper- bzw. Gesundheitsverletzung, Unterhaltsrenten sowie Altenteilsrenten vgl. §§ 850a Abs. 1 Nr. 3, 850b Nrn. 1, 2 ZPO.
Rz. 19
Gem. Abs. 3 lit. b sind Renten, die auf Grund von Versicherungsverträgen gewährt werden, wenn diese Verträge zur Versorgung des Versicherungsnehmers oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen eingegangen sind, ebenfalls dem Arbeitseinkommen gleichgestellt.
Die Norm erfasst ausschließlich solche Renten, die eine Ruhegehalt- oder Hinterbliebenenversorgung nach Art des § 850 Abs. 2 ZPO ersetzen (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 17.11.2011, 4 U 101/10 – Juris). Da Abs. 2 ZPO lediglich Renten- und Ruhegelder aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis schützt, muss es sich im Rahmen des § 850 Abs. 3 lit. b ZPO ebenfalls um Versicherungsleistungen handeln, die aus Anlass des Ausscheidens aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis begründet wurden. Vor diesem Hintergrund können nur Versicherungsrenten solcher Personen, die bei Abschluss des Versicherungsvertrages entweder Beamte oder Arbeitnehmer waren oder in einem arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnis standen, einem schützenswerten Arbeitseinkommen gleichgestellt werden (BGH, Beschluss vom 15.11. 2007, Az.: IX ZB 34/06, zitiert nach juris, Rdnr. 17, 18; BGH, Urteil v. 15.6.2010, IX ZR 132/09, zitiert nach Juris, Rdnr. 39; Musielak/Voit/Becker, § 850 Rn. 13; Zöller/Herget, § 850 Rn. 11).
Rz. 19a
In Rechtsprechung und Schrifttum wird allerdings die Frage, ob private Versicherungsrenten von selbständig oder freiberuflich tätig gewesenen Personen nach Abs. 3 lit. b Arbeitseinkommen darstellen und ihnen infolge dieser Einordnung Pfändungsschutz zukommt, kontrovers beurteilt. Überwiegend wird angenommen, dass Versorgungsrenten von Versicherungsnehmern, die einen selbständigen Beruf ausgeübt haben, nicht als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 3 lit. b ZPO zu verstehen sind (OLG Köln, VersR 2013, 1248; OLG Naumburg, VersR 2012, 1287; LG Dortmund, ZVI 2010, 395; LG Traunstein, ZInsO 2010, 1939; FG München, Versicherung und Recht kompakt 2011, 163; LAG Hamm, ZInsO 2010, 1024; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 17.11.2011, 4 U 101/10; OLG Frankfurt/Main VersR 1996, 614; LG Frankfurt/Oder Rpfleger 2002, 322 f; LG Braunschweig NJW-RR 1998, 1690; Stöber, Rn. 892; MüKo/Smid, § 850 Rn. 39 ff.; Musielak/Voit/Becker, § 850 Rn. 13; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 850 Rn. 9; Hk-ZPO/Kemper, § 850 Rn. 17; Berner, Rpfleger 1957, 193, 197).Nach der Gegenansicht, die den Beschäftigungsstatus des Versicherungsnehmers als nachrangig ansieht und aus sozialen Erwägungen den Versorgungscharakter der Leistungen in den Vordergrund rückt, sind auch Versicherungsrenten früherer Freiberufler den in § 850 Abs. 3 lit. b ZPO genannten Bezügen gleichzustellen (Stein/Jonas/Brehm, § 850 Rn. 48; Wieczorek/Lüke, § 850 Rn. 71; Boewer/Bommermann, Lohnpfändung und Lohnabtretung 1987 Rn. 394; Bock/Speck, Einkommenspfändung 1964 S. 54; Walter, Lohnpfändungsrecht 3. Aufl. S. 71; v. Gleichenstein ZVI 2004, 149, 152 f). Der BGH (Vollstreckung effektiv 2008, 51 = NJW-Spezial 2008, 86 = EWiR 2008, 383 = DB 2008, 53 = WM 2008, 171 = ZInsO 2008, 40 = ZVI 2008, 14 = Rpfleger 2008, 150 = MDR 2008, 288 = NJW-RR 2008, 496 = BGHReport 2008, 306) folgt unter Hinweis auf den Wortlaut und die Systematik der Vorschrift der ersten Auffassung. Vor diesem Hintergrund können nur Versicherungsrenten solcher Personen, die bei Abschluss des Versicherungsvertrags entweder Beamte oder...