Rz. 4

Die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO gelten nur für die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens selbst (§ 850 Abs. 1 ZPO; BGH, WM 2004, 1928 = Rpfleger 2004, 711 = NJW 2004, 3714 = JurBüro 2004, 671 = BGHReport 2005, 61 = MDR 2005, 48 =  ZVI 2004, 735 =  InVo 2005, 16 = KKZ 2005, 104). Aus Vereinfachungsgründen werden in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung (Abs. 5 Satz 2; vgl. derzeit BGBl. I, 1099) die Pfändungsfreigrenzen, d. h. die Feststellung, was an den Gläubiger auszuzahlen ist, als Tabelle geregelt. Denn eine Pfändungsmaßnahme darf im Interesse der Allgemeinheit nicht dazu führen, dass der Schuldner seinen notwendigen Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln der Sozialhilfe bestreiten muss (vgl. BT-Drucks. 14/6812 S. 8, 9, 40). Dem Schuldner soll von seinem Einkommen noch genügend erhalten bleiben, um sich und seine Familie versorgen zu können und dadurch den Arbeitsanreiz zu erhalten.

 

Rz. 5

Der dem Schuldner zu belassene Pfändungsfreibetrag richtet sich zum einen nach dessen gem. § 850e Nr. 1, 3 ZPO zu berechnenden Nettoeinkommen (zur sog. Nettomethode vgl. § 850e Rz. 5a ff.), zum anderen nach der Anzahl seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen. Bei den Freigrenzen handelt es sich lediglich um Kalkulationsgrundlagen, die im Gesetz selbst nur mit ihrem Endbetrag, nicht aber mit ihren Einzelposten Niederschlag gefunden haben (BGH, WM 2004, 338). Hinsichtlich der Pfändungsfreigrenzen wegen Forderungen aus gesetzlichen Unterhaltsansprüchen gilt – nur auf Antrag – § 850d ZPO, wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen gilt § 850f Abs. 2 ZPO.

 

Rz. 6

Die Vorschrift ist auch anwendbar bei der Pfändung laufender Sozialleistungen als Lohnersatzleistungen (vgl. § 54 Abs. 4 SGB I). Damit unterliegen diese den §§ 850ff. ZPO. Ihr pfändungsfreier Teil bestimmt sich nach § 850c ZPO (BGH, WM 2004, 338; LG Leipzig, InVo 2003, 489; Giese, SGB I, § 54 Rz. 11; Wannagat/Thieme, SGB, AT § 54 Rn. 9; Hauck in: Hauck/Noftz, SGB, I K § 54 Rn. 26; Mrozynski, SGB I, 3. Aufl., § 54 Rz. 20; Lilge in: Sozialgesetzbuch-Gesamtkommentar, § 54 SGB I Rd. 7.4;Stöber/Rellermeyer, D.6; vgl. auch BSGE 61, 274). Anderweitige Bestimmungen, die die Pfändbarkeit von laufenden, auf Geld gerichteten Sozialleistungsansprüchen betreffen und ihren Besonderheiten Rechnung tragen, enthält das SGB I – über die Regelung in § 54 Abs. 4 SGB I hinaus – nicht. In welcher Höhe Arbeitseinkommen (oder ihm gleichgestellte Sozialleistungsansprüche; zur zulässigen Pfändung von Arbeitslosengeld II vgl. BGH, WM 2012, 2247 = ZInsO 2012, 2247 = EBE/BGH 2012, 382 = MDR 2013, 57 = ZVI 2012, 453 = Rpfleger 2013, 158 = NZI 2013, 194 = JurBüro 2013, 323 = Vollstreckung effektiv 2013, 2; BGH NJW-RR 2011, 706 = Vollstreckung effektiv 2011, 43 = WM 2011, 76 = MDR 2011, 127 = FamRZ 2011, 208 = ZFSH/SGB 2011, 90 = Rpfleger 2011, 164 = WuB VI D § 850f ZPO 1.11 = JurBüro 2011, 213 = DGVZ 2012, 10 = KKZ 2012, 22 = ZInsO 2012, 601; vgl. auch § 829 Rz. 189) pfändbar sind, ist § 850c Abs. 4  und 3 ZPO i. V. m. der als Anlage beigefügten Tabelle zur Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung zu entnehmen.

 

Rz. 7

Anzuwenden ist die Vorschrift auch im Falle der Lohnabtretung (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss v. 4.1.2021 – L 1 KA 5/20 B ER, juris: vertragsärztliche Honoraransprüche). Der Drittschuldner ist daher auch berechtigt und verpflichtet, gemäß § 400 BGB die Höhe der abgetretenen Honorarforderung unter Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO zu berechnen. Denn es obliegt dem Drittschuldner, den nach §§ 850a, 850c, 850d ZPO pfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ohne dass es einer gerichtlichen Anordnung bedarf (vgl. BGH, Rpfleger 2013, 282 = NJW-RR 2013, 650 = DGVZ 2013, 129-130 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2013, 19 = Vollstreckung effektiv 2013, 62; BGH NJW-Spezial 2018, 437 = FA 2018, 221). Bei dieser Berechnung sind lediglich Tatsachen – wie beispielsweise die Zahl der unterhaltsberechtigten Personen – festzustellen und der pfändbare Betrag sodann von der Pfändungstabelle abzulesen.

 

Rz. 8

Nicht anzuwenden ist die Regelung hingegen bei der Pfändung des Anspruchs eines Strafgefangenen auf Auszahlung seines Eigengeldes (OLG Koblenz, FS 2020, 234; BGH, Vollstreckung effektiv 2013, 186 = FamRZ 2013, 1734 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2013, 84 = FoVo 2013, 217 = WM 2013, 1752 = ZInsO 2013, 1845 = MDR 2013, 1248 = NJW 2013, 3312 = NZI 2013, 940 = ZVI 2013, 430 = Rpfleger 2014, 39 = DGVZ 2014, 14 = KKZ 2014, 60; BGH, WM 2004, 1928 = Rpfleger 2004, 711 = NJW 2004, 3714 = JurBüro 2004, 671 = BGHReport 2005, 61 = MDR 2005, 48 =  ZVI 2004, 735 =  InVo 2005, 16 = KKZ 2005, 104; vgl. auch OLG Hamburg, NStZ-RR 2011, 126). Die Pfändungsgrenzen der ZPO gelten nur für die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens selbst (§ 850 Abs. 1 ZPO). Gepfändet ist aber der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung seines Eigengeldes und nicht sein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollzG. Denn dieser n...

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