Rz. 8
§ 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO setzt voraus, dass es sich bei den sonstigen Einkünften um selbst erwirtschaftete Einkünfte handelt (BGH, Rpfleger 2019, 102 = NZM 2019, 223; BGH ZInsO 2014, 1609 = Rpfleger 2014, 687 = JurBüro 2014, 606 = FamRB 2014, 334 = FoVo 2014, 164 = Vollstreckung effektiv 2014, 169; BGH, ZInsO 2016, 961 = Rpfleger 2016, 590 = Vollstreckung effektiv 2016, 102 = FoVo 2016, 111). Ziel des Gesetzgebers ist es, dass die Mittel, die der Schuldner zu seinem Lebensunterhalt braucht, vorrangig von ihm selbst erwirtschaftet werden sollen. Ein weitergehender Schutz des Schuldners ist aber vom Gesetz nicht beabsichtigt, weil das Gesetz auch die Interessen des Gläubigers an einer effektiven Befriedigung berechtigter Forderungen berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund stellen Geldforderungen, die der Schuldner nicht auf Grund eigener wirtschaftlicher Betätigung erwirbt, keine sonstigen Einkünfte im Sinne von § 850i ZPO dar (BGH, ZInsO 2016, 961 = Rpfleger 2016, 590 = Vollstreckung effektiv 2016, 102 = FoVo 2016, 111; BGH, ZInsO 2018, 2517 = Rpfleger 2019, 102 = NZM 2019, 223 = zfm 2019, 74 = NJW-Spezial 2019, 22). Mit dem Begriff der "sonstigen Einkünfte" in Abs. 1 Satz 1 Fall 2 will der Gesetzgeber den Schutzmechanismus nach Abs. 1 gleichzeitig auch auf sämtliche Einkunftsarten erstrecken, die dem Unterhalt des Schuldners dienen. Um Pfändungsschutz zu erlangen, muss daher nicht die Arbeitskraft des Schuldners verwertet sein. Bezugsgröße ist ein auf breite Basis gestellter Schutz des selbst erwirtschafteten Lebensunterhalts (Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, § 850i Rn. 19; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2360; Meller-Hannich, WM 2011, 529). Ob Arbeiten oder Dienste persönlich erbracht werden oder nicht, spielt keine Rolle. Pfändungsschutz erhalten daher sämtliche Arten von Einkünften. Das gilt unabhängig davon, ob überhaupt eine Erwerbstätigkeit vorliegt und ob zur Entstehung einer Forderung verwertetes Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind (Meller-Hannich, WM 2011, 529, 530). Auch Einkünfte aus sogenannter kapitalistischer Tätigkeit rechnen hierzu, etwa aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung (BGH Vollstreckung effektiv 2018, 112 = NJW-RR 2018, 625 = MDR 2018, 701 = InsbürO 2018, 238 = Rpfleger 2018, 482; anders noch BGHZ 161, 371 = WM 2005, 288 = WuM 2005, 138 = NJW 2005, 681 = NZM 2005, 192 = DWW 2005, 77 = Grundeigentum 2005, 234 =FamRZ 2005, 436 = Rpfleger 2005, 206 = ZMR 2005, 288 = JurBüro 2005, 210 = Vollstreckung effektiv 2005, 78; vgl. auch BGH, DB 2014, 1737 = WM 2014, 1485 = ZIP 2014, 1542; vgl. auch § 851b Rz. 2), auch Werklohnansprüche, Einnahmen aus Natural- oder Sachleistungen bzw. Abfindungen (LG Essen, ZVI 2011, 379 = VuR 2011, 429)Verkaufserlöse und Erbbauzinsen (m. w. N.), solange die Einkünfte selbst erzielt, also eigenständig erwirtschaftet sind (BGH, Rpfleger 2019, 102 = NZM 2019, 223 m. w. N.). Nicht hierzu zählen Kautionsrückzahlungsansprüche (BGH NJW-RR 2019, 586 = ZVI 2019, 199 = NZI 2019, 457), sowie Pflichtteilsansprüche (BGH Rpfleger 2016, 590 = Vollstreckung effektiv 2016, 102 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2016, 53 = FoVo 2016, 111 = Erbrecht effektiv 2016, 181).
Rz. 8a
Die Frage, ob im Rahmen des Abs. 1 Pfändungsschutz für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bestehen kann, ist damit nunmehr höchstrichterlich entschieden. Die Entscheidung des BGH vom 21.12.2004 (BGHZ 161, 371 = WM 2005, 288 = WuM 2005, 138 = NJW 2005, 681 = NZM 2005, 192 = DWW 2005, 77 = Grundeigentum 2005, 234 =FamRZ 2005, 436 = Rpfleger 2005, 206 = ZMR 2005, 288 = JurBüro 2005, 210 = Vollstreckung effektiv 2005, 78) ist somit überholt (BGH, DB 2014, 1737 = WM 2014, 1485 = ZIP 2014, 1542; vgl. auch § 851b Rz. 2). Der BGH begründet dies mit der Systemgerechtigkeit. Denn in den §§ 850 ff. ZPO ist das Arbeitseinkommen vor Pfändung geschützt. Die Ansprüche auf die gesetzliche Rente sind nur hinsichtlich des die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen übersteigenden Betrages abtretbar und pfändbar (§§ 53 Abs. 3, 54 Abs. 4 SGB I). Entsprechendes gilt im Grundsatz für Sozialleistungen. Vertragliche Altersrenten und steuerlich gefördertes Altersvermögen ist gemäß §§ 851c, 851d ZPO, §§ 10a, 79 ff., 97 EStG i. V. m. § 851 Abs. 1 ZPO, § 168 Abs. 3 VVG geschützt (Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 851d Rn. 7 f). Die Vergütungsansprüche für selbstständige Tätigkeiten, seien sie selbst oder durch Personal erwirtschaftet, können auf Antrag des Schuldners für unpfändbar erklärt werden (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes v. 19.12.2007, BT-Drucks. 16/7615 S. 11 f., 18). Nichts anderes gilt aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch für alle sonstigen Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, aber dem Schuldner und seiner Familie zum Lebensunterhalt dienen. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich ausgeführt, dass sämtliche Einkünfte nicht abhängig beschäftigter Personen erfa...