Rz. 8
Abs. 3 bestimmt, wie mit den in der Wohnung vorgefundenen beweglichen Sachen unmittelbar im Anschluss an die Vollstreckungsmaßnahme weiter zu verfahren ist.
Satz 1 eröffnet dem Gläubiger die Befugnis, die beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, sofort im Anschluss an die Durchführung der Herausgabevollstreckung aus der Wohnung zu entfernen und an einem anderen Ort – etwa in Keller- oder anderen privaten Lagerräumen – zu verwahren. Hierdurch wird dem Gläubiger z. B. die Möglichkeit eröffnet, die Wohnung unmittelbar im Anschluss an die Vollstreckungsmaßnahme wieder in einen Zustand zu versetzen, in dem sie erneut zur Vermietung angeboten werden kann. Das Wegschaffen der beweglichen Sachen ist indes – anders als bei der "klassischen Räumung" durch den Gerichtsvollzieher – nicht obligatorisch (BT-Drucks. 17/10485 S. 32 re. Sp.). Kommt eine kurzfristige erneute Vermietung nicht in Betracht oder erscheint es dem Gläubiger aus anderen Erwägungen vorzugswürdig, die beweglichen Sachen zunächst nicht wegzuschaffen, kann er sie ohne weiteres zunächst in der Wohnung belassen.
Rz. 9
Satz 2 regelt, dass bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, jederzeit vernichtet werden können. Die Vorschrift ist an § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO angelehnt (BT-Drucks. 17/10485 S. 32 re. Sp.). Dies ist bei gewöhnlichem Abfall bzw. Müll oder Unrat der Fall. Auch die Vernichtung dieser Sachen ist für den Gläubiger – wie das Wegschaffen der Sachen aus der Wohnung gem. Satz 1 – nicht verpflichtend. Es bleibt vielmehr dem Gläubiger überlassen, unter Abwägung der Vor- und Nachteile zu entscheiden, ob diese Sachen unmittelbar im Anschluss an die Durchführung der Herausgabevollstreckung aus der Wohnung geschafft und vernichtet werden sollen oder zunächst in der Wohnung verbleiben sollen.
Rz. 10
Satz 3 bestimmt, dass der Gläubiger im Hinblick auf die Sonderung und Vernichtung sowie das Wegschaffen und Verwahren der vorgefundenen beweglichen Sachen nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Die Haftungsbeschränkung gilt nicht für die Vernichtung nach Abs. 4 Satz 4, da Abs. 3 Satz 3 nur Abs. 3 Satz 1, 2 in Bezug nimmt (Musielak/Voit/Lackmann, § 885a, Rn. 10).
Das bisherige Recht sah hingegen keine besonderen Haftungsregelungen für die spezielle Situation nach Durchführung eines beschränkten Vollstreckungsauftrages vor. Der Vermieter kann sich daher bei Verschlechterung des zurückgelassenen Hausrats des Mieters unter Umständen Schadensersatzpflichten nach den allgemeinen materiell-rechtlichen Haftungsvorschriften ausgesetzt sehen (BT-Drucks. 17/10485 S. 32 re. Sp.; Scholz, ZMR 2010, 1, 3; Flatow, NZM 2009, Nr. 16, V-VI; Both, GE 2007, 192, 198).
Die allgemeinen materiell-rechtlichen Haftungsregelungen werden indes nicht der besonderen Situation nach Durchführung eines beschränkten Vollstreckungsauftrages hinreichend gerecht. Die Regelung sieht daher eine moderate Haftungsminderung zugunsten des Gläubigers vor. Gleichzeitig bleiben die schutzwürdigen Interessen des Schuldners hinreichend gewahrt. Die Vorschrift ist an § 300 BGB angelehnt. Diese sieht eine Haftungsminderung für den Fall vor, dass die Erfüllung eines Schuldverhältnisses dadurch verzögert wird, dass derjenige, dem die Leistung geschuldet wird, seinen erforderlichen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. Dieser Rechtsgedanke ist auf die besondere Situation nach Durchführung eines beschränkten Vollstreckungsauftrages übertragbar. Der Schuldner ist zunächst mit der Zustellung des Räumungstitels verpflichtet worden, dem Vermieter die Wohnung unverzüglich geräumt herauszugeben. Mit der – nach Erteilung des Vollstreckungsauftrages an den Gerichtsvollzieher – zugestellten Mitteilung über den Vollstreckungstermin (§ 129 Abs. 3 GVGA) ist dem Schuldner zudem konkret mitgeteilt worden, bis zu welchem Termin eine Räumung der Mietsache durch ihn zu erfolgen hat, wenn die Durchsetzung der Herausgabe der Wohnung durch staatlichen Zwang vermieden werden soll. Lässt der Mieter diese wiederholten staatlichen Anweisungen zur Räumung der Wohnung ungenutzt verstreichen, ist es sachgerecht, dieses den Voraussetzungen für den Annahmeverzug (§§ 294 ff. BGB) gleichzustellen (BT-Drucks. 17/10485 S. 33 li. Sp.). Gleichzeitig bleiben Schadensersatzansprüche des Schuldners bei grob fahrlässig oder vorsätzlich unsachgemäßem Vorgehen des Gläubigers im Hinblick auf die Sonderung, Vernichtung, das Wegschaffen und Verwahren gewahrt. Die Haftungsminderung erfasst zudem nur diese Maßnahmen. Die Haftung für die Verletzung anderer Pflichten bleibt unvermindert. Insbesondere findet die Haftungsminderung keine Anwendung auf die Voraussetzungen und die Durchführung des Selbsthilfeverkaufs gem. § 885a Abs. 4 ZPO (BT-Drucks. 17/10485 S. 33 li. Sp.).