1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Norm wurde zum 1.5.2013 durch das MietRÄndG eingeführt (BGBl. I 13, 434). Sie enthält Bestimmungen, mit denen die Praxis der sog. Berliner Räumung (vgl. hierzu § 885 Rz. 41 ff.) auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden soll (BT-Drucks. 17/10485 S. 31 re. Sp.). Hierbei beschränkt der Gläubiger seinen Vollstreckungsauftrag auf die bloße Besitzverschaffung an den Räumen und macht im Übrigen an den darin befindlichen beweglichen Gegenständen sein Vermieterpfandrecht geltend. Die Vorschrift ermöglicht es dem Gläubiger, die mit der Räumungsvollstreckung gem. § 885 ZPO verbundenen hohen Transport- und Lagerkosten zu vermeiden und damit den Kostenvorschuss für die Vollstreckung ganz erheblich zu reduzieren (vgl. Regierungsentwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485 S. 15; BGH, NJW 2015, 2126). Ein Bedürfnis zur Kostenreduzierung bei der Räumungsvollstreckung ist jedoch nicht auf die Fälle der Vollstreckung durch einen Vermieter beschränkt, sondern besteht in gleicher Weise bei der Vollstreckung anderer Räumungstitel wie etwa eines Zuschlagsbeschlusses gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 ZVG (BGH, Rpfleger 2017, 570 = DGVZ 2017, 169; anders noch bis zum Inkrafttreten der Regelung des § 885a ZPO: BGH, DGVZ 2013, 155).
Die Vorschriften über das Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) bleiben durch diese Bestimmungen über die Beschränkung des Vollstreckungsauftrages unberührt. Macht der Gläubiger sein Vermieterpfandrecht im Hinblick auf bewegliche Sachen in der Wohnung des Schuldners geltend, kann er im Hinblick auf die Verwahrung und den Verkauf dieser Sachen unverändert nach den Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204 ff.; § 1257 BGB) vorgehen.
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
Sämtliche Titel, die auch Grundlage einer Vollstreckung nach § 885 ZPO (vgl. § 885 Rz. 6 ff.) sein können, sind auch im Rahmen des § 885a ZPO anwendbar. Zum Zuschlagsbeschluss vgl. Rz. 1.
3 Vereinfachte Räumung (Abs. 1)
Rz. 3
Die Beschränkung des Vollstreckungsauftrags des Gläubigers auf die Herausgabe der Räume hat lediglich zur Folge, dass der Gerichtsvollzieher von der Entfernung der nicht der Zwangsvollstreckung unterliegenden Sachen gem. § 885 Abs. 2 und 3 ZPO abzusehen hat. Sie berechtigt ihn dagegen nicht, den Schuldner daran zu hindern, Sachen aus den Räumen zu entfernen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind (BGH, NJW 2006, 3273). Im Anschluss an die Herausgabevollstreckung hat er dem Schuldner auf Verlangen die diesem gehörenden Gegenstände herauszugeben. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, ist er gem. §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 1384). Kommt es zwischen den Parteien zum Streit, so ist dieser nicht vor Ort vom Gerichtsvollzieher, sondern von den hierfür zuständigen ordentlichen Gerichten zu entscheiden (BT-Drucks. 17/10485 S. 31 re. Sp.). Dass der Gesetzgeber die Verwahrung dem Gläubiger überantwortet, ist aufgrund der den Gläubiger zugunsten des Schuldners treffenden gesetzlichen Pflichten und Haftung auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden (BGH, Rpfleger 2017, 570 = DGVZ 2017, 169 = Vollstreckung effektiv 2017, 133 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gerichtsvollzieher im Vollstreckungsprotokoll die frei ersichtlichen beweglichen Sachen zu dokumentieren hat, die er bei Vornahme der Vollstreckungshandlung vorfindet (§ 885a Abs. 2 ZPO; Rz. 4 ff.). Damit ist sichergestellt, dass dem Schuldner bei möglichen Beweisschwierigkeiten über das Vorhandensein und den Zustand seiner beweglichen Sachen eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO zur Verfügung steht.
4 Gerichtsvollzieherverfahren (Abs. 2)
Rz. 4
Abs. 2 regelt das Vorgehen des Gerichtsvollziehers bei der Durchführung des Vollstreckungstermins (vgl. auch §§ 128 f. GVGA).
Der Gerichtsvollzieher ist nach Satz 1 dazu verpflichtet, die vorgefundenen frei ersichtlichen beweglichen Sachen zu dokumentieren. Hierdurch soll im Streitfall die Beweisführung über den Bestand und Zustand der vom Schuldner in die Räume eingebrachten beweglichen Sachen erleichtert werden (BT-Drucks. 17/10485 S. 31 re. Sp.). Die Dokumentation soll im Rahmen des ohnehin über die Vornahme der Vollstreckungshandlung zu fertigenden Protokolls erfolgen (§ 762 ZPO, § 129 Abs. 2 GVGA). Die dem Gerichtsvollzieher anvertraute Tatsachenfeststellung muss hierbei aber nicht die Anforderungen an eine vollständige Inventarisierung erfüllen. Sie hat lediglich einen zuverlässigen Überblick über den zur Zeit der Räumung vorhandenen wesentlichen Bestand und Zustand der beweglichen Sachen des Schuldners zu bieten. Eine Pflicht zur weitergehenden Dokumentation, die unter Umständen mit aufwendigen Feststellungen über den Zustand der in den Räumlichkeiten befindlichen beweglichen Sachen verbunden sein kann, trifft den Gerichtsvollzieher nicht (BT-Drucks. 17/10485 S. 31 re. Sp.). Mit der Besitzeinweisung des Gläubigers und Protokollierung ist die Vollstreckung beendet. Die Verwahrung, Verwertung und Vernichtung der beweglichen Gegenstände des Schuldners, die im Falle der vereinfachten Heraus...